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Interview mit Thornwill (05.01.2011)

Thornwill

Heavy Metal made in Hungary - das ist so alltäglich nicht. Wenn dann noch die musikalische Qualität stimmt, die Band knackigen Power Metal mit Eiern und Melodien macht und dazu noch das Debütalbum als Gratis-Download anbietet, muss man der Band natürlich ein größeres Forum einräumen. Bühne frei für THORNWILL und Gitarrist Márton Szabó.

 

Hallo Marton, beschreib doch zunächst einmal, welchen Status der Metal in Ungarn hat. Welche Art Metal ist besonders beliebt in Ungarn?

Ach, der Heavy Metal ist bei uns in keiner guten Verfassung. Es gibt zwar jede Menge Bands – aber keine Kohle. Außerdem berichten die Medien kaum über harte Musik, sie findet in der öffentlichen Wahrnehmung so gut wie nicht statt. Die größeren Bands spielen hier so vor rund 500 bis 1000 Fans. Die Leute, die auf Metal stehen, mögen neuerdings vor allen Dingen Folk Metal, aber deutscher und skandinavischer Heavy Metal ist das, was immer noch am populärsten ist. Vielleicht hilft es ja ein wenig, dass mit Attila Voros jetzt ein ungarischer Gitarrist bei Nevermore spielt?

Zu wünschen wäre es der ungarischen Szene. Wie oft könnt ihr denn in Ungarn auftreten, und wie viele Leute zieht ihr so an?

So richtig angefangen, aktiv zu werden, haben wir erst im April 2010, nämlich, als wir unser Album „Implosion“ veröffentlicht haben. Wir hatten keinen Ruf in der Szene, waren total unbekannt, wir hatten zudem kaum Verbindungen zu relevanten Leuten. Also mussten wir in wirklich kleinen Läden auftreten. Wir hatten zwischen September und Dezember so zehn, elf Auftritte. Wenn wir alleine gespielt haben, waren jeweils 30 bis 60 Leute da. Gemeinsam mit anderen Bands haben wir vor rund 100 bis 300 Fans gespielt. Erfreulicherweise haben wir jetzt ein Management gefunden, dass sich vor allem um diese Belange kümmert. Die haben schon einige Gigs für 2011 gebucht, und da werden dann auch größere Events dabei sein.

Das klingt nach der harten Schule für eine Newcomerband – aber das passt wiederum auch irgendwie zu THORNWILL, denn während nahezu JEDE Metalband sich über ihr Plattenlabel beschwert, macht ihr alles auf eigene Kappe, ihr habt eine professionelle Produktion, ein tolles Booklet für „Implosion“, ihr dreht Videoclips – und dann verschenkt ihr euer Album auch noch als Download über eure Website. Mal ehrlich – wie funktioniert das ohne einen Banküberfall? Habt ihr mittlerweile entsprechende Connections?


Martón Szabó (Gitarre)Also, wir beschweren uns nie (lacht). Wir müssen eben die Grundlagen für den Erfolg legen, das ist wie ein Anfangs-Investment. Wir müssen das auf diese Art und Weise noch länger machen, vielleicht ein Jahr oder auch noch länger, und vielleicht bekommen wir irgendwann mal etwas dafür zurück. Aber die Sache entwickelt sich langsam. Wir haben beispielsweise ein kleines Aufnahmestudio, da können wir die Gitarren und die Vocals aufnehmen, ohne Geld ausgeben zu müssen. Norbert Papp, der unser Booklet gestaltet hat, ist ein sehr guter und langjähriger Freund von mir. Auch auf unseren Webmaster und den Web Designer trifft das zu, das Booklet konnten wir günstig drucken, weil ich Beziehungen zu der Druckerei habe. Ohne diese Leute könnten wir THORNWILL niemals am Leben halten, und dafür sind wir sehr dankbar. Natürlich hat jeder in der Band einen Job – wir verdienen Geld, das wir in THORNWILL stecken. Wenn wir einen lukrativen Plattendeal hätten oder wenn wir mit der Musik Geld verdienen würden, würden wir natürlich unsere Jobs hinschmeißen (lacht). Wir denken da immer an Black Sabbath am Beginn ihrer Karriere. Die Jungs hatten doch nichts! Die hatten nicht mal was zu Essen und mussten die Karotten vom Feld klauen, um nicht zu verhungern. Ehrlich, da geht’s uns doch viel besser (lacht). 

Positives Denken hilft also... wie viele Leute haben denn mittlerweile „Implosion“ von eurer Website gezogen, und wie viele haben davon eine freiwillige Spende abgedrückt?


Das kann man so genau gar nicht sagen. Das gesamte Album ist als zip-File rund 8000 Mal von unserer Seite geladen worden, dazu kommen noch rund 3000 einzelne Tracks. Dazu gibt es unser Album ja auch auf vielen Portalen wie Jamendo, Napster, iTunes, Amazon, last.fm und einigen mehr. Da laden sich auch sehr viele Leute unser Album runter, auch auf den ganzen Torrent-Seiten. Insgesamt werden es vielleicht so um die 15.000 Album-Downloads sein. Manchmal kriegen wir eine kleine Spende von den Leuten, manchmal kaufen die Fans aber auch das Album bei Amazon oder iTunes, um uns zu unterstützen. Aber ehrlich: Finanzielle Zuwendungen gibt es nicht so furchtbar viele, aber wir stecken alles Geld direkt wieder in die Band oder die Promotion. 


Ihr vertreibt euer Album über ein System namens „Creative Commons Attribution 3.0“, das heißt, jeder darf eure Musik umsonst herunter laden und weitergeben. Könnt ihr diesen Vertriebsweg empfehlen? Ist das vielleicht sogar der Vertriebsweg der Zukunft, weg von den Plattenfirmen?

Ich empfehle diesen Weg auf jeden Fall. Die Internet-Community hilft uns, bekannter zu werden. Unsere Musik kann beispielsweise auch verwendet werden, um Videos zu untermalen. Bei Youtube gibt’s davon schon einige, auch das hilft, THORNWILL bekannter zu machen. Außerdem soll demnächst ein Spiel für die XBOX erscheinen, zu der Musik von uns verwendet wird. Im Moment planen wir, auch unser nächstes Album auf diesem Wege zu veröffentlichen, also frei zugänglich für jedermann. Ich denke, es wird sich in Zukunft noch einiges tun in der Musikindustrie. Ich hoffe, wir haben das richtige Näschen dafür, wohin der Weg gehen wird. 

Nun gut, kommen wir mal auf die Musik zu sprechen, die es auf eurem Debüt zu hören gibt. Ihr habt einiges an verschiedenen Einflüssen, von Savatage und Nevermore über Metallica und Iron Maiden wird da eine ganz schön breite Palette abgedeckt. Wer gibt denn da die Richtung in der Band vor? Müsst ihr viel über die Songs diskutieren?

Nein, wir diskutieren nicht all zu viel über die musikalische Richtung. Die Richtung ist klar: Wir tun, was uns in den Sinn kommt. Jeder in der Band schreibt Songs, und jeder hat einen etwas anderen Geschmack, also beeinflussen wir uns alle auch gegenseitig beim Songwriting. Mal schauen, wohin das beim nächsten Album führen wird, aber ich hab ein gutes Gefühl, dass wir dabei sind, unseren ureigenen Stil zu finden.
Thornwill

Wenn man viele verschiedene Einflüsse hat, ist das für dich als Musiker bestimmt großartig, aber könnte das nicht auch ein bisschen schwierig für manchen Fan sein, wenn ihr stilistisch etwas zwischen den Stühlen sitzt?

Ach, ehrlich gesagt, darauf weiß ich irgendwie keine richtige Antwort. Die Leute in Ungarn – das höre ich jedenfalls immer wieder aus dem Feedback heraus – mögen „Implosion“, auch wenn es manchmal etwas dauert, bis man die Musik in der Gänze versteht. Vielleicht können wir auch einen dritten Stuhl zwischen die anderen beiden stellen (lacht).

Ich würde mich freuen, wenn ihr das auf dem „Implosion“-Nachfolger schaffen würdet. Ebenfalls würde ich mich über etwas bessere Texte freuen, denn die sind einer der wenigen Kritikpunkte auf Eurem Debüt. Könnt ihr euch vorstellen, vielleicht mit einem Engländer oder Amerikaner zusammen zu arbeiten, um an der sprachlichen Qualität zu feilen?

In der Tat, das haben wir vor. Wir haben in einem Review aus den USA gehört, dass manche Texte toll sind, manche aber auch etwas zu simpel. Das ist definitiv einer der wichtigsten Punkte, bei denen wir uns verbessern müssen. 

Was ist denn darüber hinaus der nächste Schritt für THORNWILL? Es gibt so unendlich viele Bands, die viel, viel langweiliger sind als ihr, warum habt ihr noch keinen weltweiten Deal mit Nuclear Blast?

Der nächste Schritt heißt spielen, spielen, spielen. Wir wollen viel mehr Leute erreichen, auf Konzerten und auch auf Festivals. Daneben schreiben wir unser zweites Album. Wir werden, Schritt für Schritt, bekannter. Und dann erreichen wir den Punkt, an dem Nuclear Blast nicht mehr an uns vorbei kommen (lacht). Wir müssen doppelt so gute Musik schreiben, wir proben doppelt so hart und wir werden neue Elemente in unsere Liveshows einbauen. Das ist der Plan. Klingt gut, oder?

Klingt vielversprechend. Die letzte Frage zielt etwas abseits der Musik: Ungarn ist im Moment in den deutschen Medien sehr präsent, weil ein neues Mediengesetz die Meinungsfreiheit der Presse einschränken könnte. Da gibt’s reichlich Kritik, sowohl aus den Reihen der ungarischen Medienlandschaft als auch aus dem Ausland. Wie steht ihr zu diesem neuen Mediengesetz?

Ich mag die Methoden nicht, mit denen unsere neue Regierung arbeitet. Sie machen große Fehler, und sie machen das auf eine besorgniserregende aggressive Art und Weise. Es gibt allerdings hier riesigen Wirbel wegen des neuen Mediengesetzes, und ich schätze, am Ende wird sich das auf das tagtägliche Leben der meisten Bürger kaum auswirken. Zumindest hoffe ich das.

Lothar Hausfeld (Info)
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