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Interview mit Andreas Gross (25.05.2010)

Andreas Gross

Ein halbes Jahr vor der aktuellen „Stone Thrower“-EP erschien mit “We Like Ghost Girls” bereits das sechste Album von ANDREAS GROSS. Wer hinter dem Namen einen Einzelkünstler vermutet, der irrt. Ob ANDREAS GROSS Band, Projekt, oder Musikerkollektiv ist, wollen wir im Interview herausfinden. Dass sich auf den Alben äußerst hörenswerte Musik in der Tradition des 4AD Labels findet, angereichert mit einem gehörigen Schuss Ambient und Eigenständigkeit, davon kann sich jeder Interessent überzeugen; denn seit „Hail Of The Employees“ erscheinen die Werke bei Echozone und sind leicht über die üblichen Vertriebswege käuflich zu erwerben. Es lohnt sich.

Hallo Andreas, ich werde dich nicht mit der Frage langweilen, warum dein Name über allem steht; ein Name, den man nicht unbedingt mit der fein ziselierten Variante des Gothic-Rocks verbindet, die sich dahinter verbergen. Aber eins möchte ich doch gerne erfahren: handelt es sich bei ANDREAS GROSS um eine Band, ein Projekt, oder einen musikalischen Kopf mit willigen Helfern?

Hallo! Ich würde sagen, es pendelt so zwischen einer richtigen Band und einem „musikalischen Kopf mit willigen Helfern“. Naja, solangeee die Helfer tatsächlich eindeutig willig sind, kann man wohl schon von einer richtigen Band reden, zumal die Besetzung seit dem Album „Hail to the employee“ sehr stabil war und eigentlich nur noch ergänzt worden ist (um Jannika Schneider und Christian Bohr).

Du lebst und arbeitest mitten im Westerwald. Nicht unbedingt die erste Adresse für „Heavenly Voices“ und melancholische Herbstmusik. Wie hast du musikalisch Gleichgesinnte gefunden?

Ja, das war in der Tat nicht einfach und eine Reihe glücklicher Zufälle hat zu dieser Besetzung geführt. Zwar ist der Westerwald nun wirklich keine musikfreie Zone - gibt es hier viele Bands, aber die machen nur so Hardcore-Gitarrengeschrammel, aber daran bin ich natürlich nicht interessiert. Selbstverständlich hören die anderen Leute aus der Band zum Teil auch andere Styles als ich, aber das bereichert unsere Musik eher,als dass es zu musikalischen Differenzen kommt. Das Tollste ist, dass alle ihre Instrumente von der Pike auf gelernt haben; Isabel und Christian haben ihre Instrumente sogar studiert.

Ist euer jetziges Line-Up ein stabiles, oder stehen Änderungen an?

Im Augenblick treffen wir uns so selten, dass ich das kaum beurteilen kann. Ich bin im Moment auch zu beschäftigt, um stringent neue Songs zu schreiben. Falls wir uns aber mal zu neuen Aufnahmen aufraffen, hoffe ich schon, dass die Besetzung so bleibt. Es kann sogar sein, dass Swenja Schneider wieder den ein oder anderen Song einsingen wird (die Sängerin auf dem Album „Borderline Poetry“ von 2005).

Im Einleitungstext habe ich die COCTEAU TWINS und THIS MORTAL COIL als Referenzen erwähnt; in zahlreichen Momenten besitzt eure Musik aber auch Soundtrack-Charakter. Vor allem Angelo Badalamenti in Zusammenarbeit mit Julee Cruise fällt mir da ein, aber auch Silent Hill, an dessen Stimmung mich vor allem „Memento“ teilweise erinnert. Gibt es Bezüge dazu?

Nee, ich kenne wirklich überhaupt nichts von dem, was du da erwähnst.

Von den Cocteau Twins hab ich mir vor Jahren bei Youtube mal ein Video angesehen, weil wir seit dem Album „Revenant“ (2006) in der Presse damit verglichen wurden, aber ich konnte nichts damit anfangen. Musikredakteure haben da wohl andere Wahrnehmungsfilter. Ich höre sowieso privat ganz andere Musik; Get Well Soon, Palodine, Now Now Every Children, Soap&Skin und sowas...

Das Booklet von “We Like Ghost Girls” führt in eurer Diskographie nur fünf Alben auf – ein Fakt, den ich in meiner Rezension übernommen habe. Das Debüt  „The Mental Door“ fehlt. Warum?

Das Album gehört einfach nicht in den Kanon hinein. Es markiert eher das Ende einer musikalischen Ära als den Anfang und es war auch von meiner Seite aus nicht geplant, es zu veröffentlichen. Vor meinem Vertrag mit Echozone habe ich meine Alben auf eigene Faust pressen lassen; insofern kann man sowieso nicht von einem „Debüt“ sprechen. Das Album ist mit ganz anderen Leuten eingespielt und eher track- als songorientiert. Sehr düster und elektronisch, aber es gehört halt nicht zum Rest.

Zum aktuellen Album: Welche Rolle spielen „Ghost Girls“ in  deinem Leben? Inspiriert von japanischen Filmen á la „The Ring“ oder gibt es noch andere Quellen?


Ja, das stimmt durchaus, „The Ring“ fand ich ziemlich cool und die Japaner haben so eine gewisse gleichbleibende Vorstellung davon, wie Geister (in Filmen) denn auszusehen haben, die mich zumindest für das Artwork durchaus inspiriert hat. Das war aber nicht das Wesentliche. Der Titel spielt eher auf unsere Musikvideos an und ist auch eine Art Hommage an das eigene bisherige Schaffen. Die Musik auf dem Album ist ja ebenso düster, filigran, sehnsuchtsvoll und kaum stofflich greifbar wie ein kleines, trauriges aber auch liebenswürdiges Geistermädchen.

Nick Cave, Ricarda Huch, Karl Valentin, Percy Bysshe Shelley und Edgar Allan Poe, das sind die illustren Literaten, welche die CDs, die ich besitze, begleiten. Existieren ihre Zitate als eine Art Motto, bevor ihr die Alben aufnehmt, oder setzt du sie hinterher als passenden Kommentar ein?

Gut recherchiert! Letzteres ist richtig, ich suche nach Fertigstellung des Albums passende Zitate.

Wo wir gerade bei Kommentaren sind: würdest du eure Musik als Kommentar zu unserer Gegenwart sehen, oder eher als Flucht in verträumte Welten?

Für mich ist es immer ein Kommentar zu meiner aktuellen Sicht der Dinge, aber auf Seiten der Hörer ist es natürlich auch legitim, unsere Musik als Flucht in verträumte Welten zu instrumentalisieren. Dazu ist die Musik an sich ja erfunden worden, nicht wahr?

Du bist Germanistik-Dozent und Deutschlehrer. Trotzdem schreibst du englische Lyrics. Standen deutsche Texte nie zur Disposition?

Nö, das klingt immer direkt so nach Herbert Grönemeyer, das mag ich nicht... wenn ich mal einen Sampler durchhöre wo wir einen Track drauf haben und da kommt was Deutsches, drück ich sofort die Skip-Taste am CD-Player... * lach *

Gerade ist die „Stone Thrower EP. erschienen. Wie kam es zu dieser Idee, jetzt eine EP. nachzuschieben?

Ich wollte unbedingt eine Radio-Version von dem Song „Stone Thrower“, da einerseits klar war, dass das die Single des Albums ist, andererseits die Albumversion zu lange war, um eine Chance zu haben, im richtigen Radio zu laufen (bei Internetradios wäre das eher egal). Und wenn wir schon so eine Art Single auf CD/LP rausbringen, so dachte ich, konnten wir doch auch gleich eine Menge neuer Sachen und ein paar interessante Remixe draufpacken, damit sich die Anschaffung für die Fans auch lohnt. Ich mag die EP gern, die neuen Tracks sind albumtauglich und die Remixe zumindest sehr interessante Varianten der Originalsongs und mit über 30 Minuten Spielzeit bekommt man was geboten fürs Geld.

Immerhin drei neue Stücke sind drauf. Ist „Relief“ ein Hinweis, wie es mit ANDREAS GROSS weiter geht?

 Wohl eher weniger, mir gefällt der Song zwar gut, aber ich musste Tabitha (der Song ist übrigens von ihr) vehement überreden dazu, den mit drauf packen zu dürfen. Für ein kommendes Full-Time-Album möchte ich eher davon absehen, Songs in dem Style aufzunehmen, zumal „Relief“ offenbar einigermaßen polarisiert hat. Das war ja auch eigentlich mein Plan... *lach*.. nee, lieber Songs in dem Style von „Hopeful Despair“ oder „False Prophets“.

Eine Frage, die unvermeidlich scheint: gibt es Livepläne, bzw. -daten?

Damit nerve ich den Jörg Tochtenhagen (unser Manager bei Echozone) auch schon die ganze Zeit, weil wir ganz gerne mal live spielen würden. Mal sehen, was er dieses Jahr noch für Überraschungen für uns hat. Andreas GrossEs muss ja auch im Vorfeld einigermaßen kalkulierbar sein, dass sich so etwas lohnt. Aber natürlich stehen die Termine dann sofort auf unseren beiden Webseiten, einfach ab und zu mal abchecken!

 

Vielen Dank für das freundliche Interview!

Jochen König (Info)
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