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Sweden Rock Festival 2011 - Donnerstag - Sölvesborg - 09.06.2011

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Der Festivaldonnerstag begann, wie der Mittwoch aufgehört hatte: regnerisch. Und das sollte sich auch nicht wesentlich ändern. Den ganzen Tag über war es bewölkt und zwischendurch nieselte es hier und da eine halbe Stunde, so dass man mit einem Zwiebelschichten-Klamottenlook am besten bedient war.

Duff McKagan's LoadedMusikalisch startete der Tag mittags mit DUFF MCKAGAN'S LOADED, die ich wenige Tage zuvor bereits als Vorband von Rob Zombie gesehen hatte. Und die ich dort als… - hm, wie kann man es höflich ausdrücken? Wenn man von dem Soundbrei mal absieht, den die Truppe des ehemaligen GUNS 'N ROSES-Bassisten leider hatte, war der Eindruck, der bei mir hängen blieb, bestenfalls belanglos. Daher war ich gespannt, wie die Truppe auf einer Festivalbühne rüberkam. DUFF MCKAGAN'S LOADED hatten an diesem Donnerstag zumindest einen wesentlich besseren Sound, so dass man nun endlich die Songs besser hören und verstehen konnte. Duff McKagan hat keine Stimme, die man sofort behält und die so prägnant ist, dass man vor Begeisterung vom Stuhl hüpft. Die Band spielt bodenständigen Rock, der jetzt nicht wehtut, manchmal sogar richtig gut ist. Die Band punktete an dem Tag bei mir mit definitiv extrem sympathischen Ansagen und einem insgesamt durchaus guten Gig mit streckenweisen düsteren Songs, die mich seltsamerweise mehr anrührten als die rockigen, etwas schnelleren Kracher. Guter Auftritt insgesamt!

BuckcherryDanach waren auf der gegenüberliegenden Rock Stage BUCKCHERRY am Start, von dessen Sänger Josh Todd man annehmen mag, dass er eine harte Drogenkarriere hinter sich hätte, so dürr, wie der Knabe immer noch ausschaut. Tatsächlich singen BUCKCHERRY hauptsächlich über das wilde Rock ´n Roller-Leben, über Sex, Drogen und Parties. Und während Gitarrist Stevie D. echt sich eine km-Urkunde verdient hätte und permanent gutgelaunt über die Bühne rockte, agierte der Tattoo-Freak Josh Todd gewohnt lässig cool, ohne sich jetzt aber bei mir den Oscar für die Performance des Jahres verdient zu haben. Ich mag die Mucke, durchaus, das ist halt prägnanter Rock, der sich durch die Josh Todds Reibeisenstimme durchaus wohlgefällig ins Gehirn fräst, aber irgendwie kickt mich diese Band immer noch nicht so sehr wie ich das gerne hätte. Und so verließ ich die Rock Stage nach der Hälfte des Sets und schlenderte rüber zur kleinen Zeppelin Stage zur DAN REED BAND.

Dan Reed BandWie ich richtig vermutet hatte, ist die DAN REED BAND die heutige Band um Dan Reed, welcher mir als Kind der 80er durchaus noch ein Begriff war. Damals gegen Ende der 80er war er mit seinem rockigen Pop und dem selbstbetitelten Album sowie dem Album "Slam" ein Begriff in der Musikwelt und auf MTV. Dan Reed Network ist damals nie so richtig wirklich der Durchbruch gelungen, aber er scheint zumindest in Skandinavien nicht vergessen worden zu sein, denn der Platz vor der Zeppelin Stage war durchaus voll. Die DAN REED BAND um den früher einmal lockigen, heute glatzköpfigen Dan Reed war das erste, richtige Überraschungs-Highlight für mich an diesem nieseligen Tag. Warum? Dieser Mann hat sich eine dermaßen warme und sympathische Ausstrahlung und eine gehörige Portion Authentizität und Charisma bewahrt, die einen schlichtweg umhaut. Dazu eine sehr sehr tolle halbakustische Performance, alle hatten sichtlich Freunde und diese Begeisterung übertrug sich auch aufs Publikum, welches mit lautem Applaus antwortete. Dan Reed läuft besonders bei ruhigen Songs zu Höchstform auf, eine sehr gelungene, eigene Akustikversion von DIOs "Holy Diver" zeigte dies sehr deutlich. Ein wahnsinnig gelungener Auftritt, die DAN REED BAND würde ich im Gegensatz zu so einigen etwas uninspirierteren, größeren Bands jederzeit auf Tour hier in Deutschland gerne noch einmal besuchen.

Ein Auftritt, auf den ich mich besonders im Vorfeld gefreut hatte, war der von JOAN JETT & THE BLACKHEARTS. Joan Jett hüpfte dann auch in einer sehr eigenwilligen, schwarzen Noppen-Plastik-Latex-Irgendwas-Hose und schlichtem schwarzen Spaghetti-Top auf die Bühne und zeigt direkt zu Beginn mit "Bad Reputation", "Cherry Bomb" und "Do You Wanna Touch" direkt mal der Fanmenge vor der Rock Stage, was abgeht. Joan Jett & The BlackheartsIn dem Moment bedauert man es im Fotograben wahrscheinlich wirklich, dass Mithüpfen nicht gut für Fotos wäre. Die Frau wirkt in der Tat wie der Prototyp des Bad Girls schlechthin, und man braucht nicht viel Fantasie um sich vorzustellen, wie Frau Jett die vergangenen Jahrzehnte verbracht hat, wenn man sich anguckt, wie sie lasziv über den Bühnenrand krabbelt. Joan Jett ist in der Tat der personifizierte Rock´n Roll. Sie wirkte allerdings auch ein bisschen zu sehr routiniert und einen Hauch müde. Ob der Jetlag daran schuld war oder sie eventuell nicht ganz fit war oder schlicht und ergreifend sie einfach business-müde ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Nach einem eher durchschnittlichen Mittelteil mit etlichen ruhigeren Songs drehte sie zum Schluss mit den mitreißenden Rockern "I Wanna Be Your Dog", dem obligatorischen "I Love Rock´n Roll", dem etwas langsameren aber schönen "Crimson & Clover" und "I Hate Myself For Loving You" noch mal ordentlich auf und verabschiedete sich mit "AC/DC" vom Publikum. Fazit: ein guter Gig, die Frau an sich ist schon der Hammer (52 Jahre alt, hallo!), aber ich hatte mir doch noch ein Quäntchen mehr erhofft.

Danach gab es eine seltene Campingplatzpause, da QUEENSRŸCHE noch nie mein Fall waren. Gegen Abend dann kurz an ACCEPT vorbeigelaufen, die sich toll anhörten, einen sehr spielfreudigen Eindruck machten mit dem neuen Sänger und dementsprechend super angenommen wurden vom Publikum.

Die andere Band, auf die ich mich sehr gefreut hatte, war die 80er Rockheroen von THE CULT. Ich musste bei den Anfangsklängen vom Hit "Rain" echt dreimal hingucken, bis bei mir im Hirn angekommen war, dass das da oben dann wohl Ian Astbury anno 2011 war beziehungsweise ist. Ähm, man stelle sich ungefähr folgende innere Vision vor: Puffmutter vom Hamburger Kiez trifft Jesus (on ecstasy) trifft Alt-Hippie trifft Bomberjacken-Träger. Bitte einen kurzen Blick in die Fotogalerie an dieser Stelle werfen, der Mann in der Ballon-3/4-Hose und der Blouson-Bomberjacke mit dem Hair-Gedächtnis-Look ist Ian Astbury. Junge, war das schlecht! Das war so schlecht, dass ich elendiglich froh war, nicht aus der Nähe Fotos machen zu können. Das Wort "Drogen" schwebtThe Culte über Herrn Astbury, der offenbar ca. 20 kg zugelegt hat, wie der lila-farbene Scheinwerferspot über ihm. Sein Counterpart an der Gitarre, der in den 80ern blond-unterkühlt wirkende Billy Duffy, ist nach wie vor blond und unterkühlt. So unterkühlt, dass man den Eindruck bekam, da hätte jemand einen 10-Liter-Eimer Klebstoff vorher auf die Bühne gekippt. Duffy bewegte sich nämlich so gut wie nicht von der Stelle, auch die Gesichtszüge zeigten nicht den Hauch einer Regung. Man könnte denken, da steht nicht der von Astbury recht grotesk als "wahrscheinlich der beste Gitarrenspieler aller Zeiten" angekündigte, sondern ein Session-Musiker, der soeben den neuen Bratmaxe-Song einspielt. Ich hab innerlich echt eine Stunde lang vor mich hin gewimmert. Ja, sie haben alle Hits von damals gespielt, "Sweet Soul Sister", "Fire Woman", "Lil´ Devil", "Wild Flower" und "She Sells Sanctuary". Das machte es ja so grausam. Herr Astbury schien für mein Gefühl mindestens eine Line Koks intus zu haben, so wie der für ungefähr vier Sekunden immer das Tamburin in die Hand nahm, nur um es dann just wieder hinter sich zu werfen. Das Gesicht sah auf der Großbildleinwand aufgedunsen aus, da wusste man nicht was schlimmer war: seine Gesangs"leistung" oder die insgesamt eher schlimme Performance. Mit einem fast schon prophetisch anmutenden Cover von "Break On Through", dem alten THE DOORS Klassiker, beendeten THE CULT ihren Gig. Mein Fazit: niemals Euronen für einen Deutschland Gig ausgeben und schön die alten Videos angucken! Da war es mir auch wenig Trost, dass eine alte Freundin Tage nach dem Festival bemerkte, dass THE CULT schon 1993 auf Tour scheisse gewesen wären.

Danach gab ich mir das Kontrastprogramm galore in Gestalt von MORBID ANGEL mit der wiedervereinten Bassstimme auf zwei Beinen, David Vincent. Die Death Metal Veteranen waren ja nicht unumstritten in der Vergangenheit in der Presse und ich habe mit Interesse das lange Interview im Rock Hard gelesen, welches sich fast schon als "Versöhnungsgespräch" zwischen Götz Kühnemund und David Vincent las. Morbid AngelReden wir nicht drum rum: MORBID ANGEL live 2011 auf dem Sweden Rock waren fett! Das wemste einen von vorne bis hinten wunderbar um. Der Platz vor der Sweden Stage war zwar nicht brechend voll, aber das vorhandene schwedische Publikum feierte die Band ab, "Morbid"-Sprechchöre waren des Öfteren zu hören. Herr Vincent war angenehm zurückhaltend in weiten Strecken mit seinen Ansagen, sofern man die Vokabel "zurückhaltend" hier überhaupt verwenden sollte. Sie begannen mit den Kloppern "Immortal Rites" von der "Altars Of Madness"-Scheibe und "Fall From Grace" von der "Blessed Are The Sick". Und prügelten sich dann durch neuere und ganz alte Songs. Ich mag ansonsten ja mal eher keine Soli, um nicht zu sagen, ich finde sie so gut wie immer furchtbar überflüssig, speziell bei einem Festival. Aber was Trey Azagthoth da so bei einem zehnminütigen Solo seiner Gitarre für Töne entlockt, lässt mich echt mit runter geklapptem Unterkiefer dastehen. Irgendwo zwischen Genie und Wahnsinn wahrscheinlich beheimatet, entlockt er seinem Instrument Töne, die echt schwer grenzgenial sind. Fazit: auf jeden Fall noch mal einen MORBID ANGEL Club-/Hallengig in Deutschland mitnehmen, bisher hab ich sie nur auf Festivals gesehen.

Judas PriestDanach bin ich auf dem Weg zur großen Festival Stage kurz bei der gegenüberliegenden Rock Stage vorbeigekommen, auf der sich gerade Biff und seine Jungs von SAXON gerade vom Publikum verabschiedeten. JUDAS PRIEST waren an diesem Tag die Headliner – mal wieder. Das letzte Mal hab ich sie 2008 kurz auf dem Sweden Rock mir angeschaut und fand es schlicht furchtbar. Daher hatte ich dieses Mal genau gar keine Erwartungen, sondern postierte mich vorne seitlich am Fotografen-Einlass, um den Rock Hard Fotografen Jens abzupassen, von dem ich großartigerweise für die verbleibenden zwei Tage die Fotoweste bekommen durfte, da die Jungs sich schon wieder auf den Heimweg machen mussten zum eigenen Festival in Gelsenkirchen. Ich als mäßiger Priest-Fan habe mir nur die erste halbe Stunde noch gegeben, bevor ich mich für einige Stunden zur Ruhe abgelegt habe. Aber selbst die reichte, um zu erkennen, dass der Gig dieses Mal auf keinen Fall so gruselig wie 2008 werden würde. Das hier klang definitiv besser, viel besser. Fette Lichtshow, Rob Halford ist natürlich nicht mehr so gut bei Stimme wie zu seinen Glanzzeiten, aber das war schon gut, was er da ablieferte. Otti vom Ballroom fand es in der Tat einen gelungenen Gig, wie er am nächsten Morgen sagte. Ich zog dann zu später Stunde, es hatte wieder angefangen zu regnen, definitiv mein Zelt vor.

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Melanie Benthin

Gast-Rezensent (Info)

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