Wer fleißig TV guckt, wird den Namen KRYPTERIA vielleicht schonmal aufgeschnappt haben. Das Debüt-Album "Liberatio" war noch eher als Musical einzustufen: Der von KRYPTERIA Frontfrau Ji-In Cho intonierte Titeltrack wurde zum Nummer-Drei-Hit der Charts, als einige Privatsender das Stück zur Untermalung der Spendenaufrufe für die Opfer der Flutkastastrophe im Indischen Ozean verwendeten. In Korea hat die deutsche Band bereits beide Beine im dicken Geschäft: So durfte KRYPTERIA dort z.B. den offiziellen Song zur Fußballweltmeisterschaft für die koreanische Nationalmannschaft komponieren.
Und jetzt? Bald soll das neue Studioalbum erscheinen und um den Alleskäufern dieser Welt schonmal das Maul wässrig zu machen, wird noch schnell eine EP, quasi zur Vorankündigung des eigentlichen Werkes, vorangeschoben. Machen KRYPTERIA immer noch Musicals? Nein, jetzt ist es Bombast-Rock/Metal mit Gothic Einschlag. Ein Schelm, wer finanzielles Kalkül dabei vermutet - vor allem, wenn man die Vergangenheit Ji-Ins betrachtet: Die Sängerin koreanischer Herkunft studierte an der Kölner Musikhochschule Gesang und suchte über Psychopathenshows wie "Popstars" und "Fame Academy" schon früh den Erfolg. Dabei wurde sie erst fast Mitglied bei den Rappeltanzküken NO ANGELS und dann vollwertiger Mitstreiter bei den Vollblutmusikern BECOME ONE, unheiliges Resultat der Fame Academy Show.
Die glaubhafte Wandlung zum Metal erscheint auf den ersten Blick ein wenig absurd, doch auch eine gewisse Tarja lebte nicht gerade jede Sekunde ihres Lebens für harte Musik und dennoch wird die Musik von NIGHTWISH von einigen Menschen als Metal bezeichnet.
Also ran an die Musik.
"Sweet Revenge" - das sind bombastische Chöre mit wuchtigem Schlagzeug, simplen Hans-Dampf-Riffs und dem etwas dünnen Gesang Ji-Ins. Würde das zierliche Frontfrollein nicht immer wieder von den raumgreifenden, gregorianisch angefixten Hintergrundgesängen unterstützt werden, würde die Aufmerksamkeit allzu schnell erlahmen. So bleibt ein poppiger NIGHTWISH Song mit simpelsten Klassikversatzstücken und einer betrunkenen Tarja Turunen am Mikro.
"Lost". Klingt eigentlich wie der erste Song. Während der Gesangsstrophen halten sich die Instrumente zurück, im Refrain nervt ein billiger Schunkelrhythmus, die Riffs sind aus dem Second-Hand-Laden der Rockgeschichte gemopst. Anscheinend schließen sich Spielwitz und finanzieller Erfolg gegenseitig aus - ein Verdacht, der eigentlich keiner mehr ist.
Mit verträumtem Piano startet "The Promise", dann brechen die E-Gitarren über dem Hörer zusammen und dann - und dann wieder so ein Standardriff. Und wieder halten sich die Instrumente während der Strophen zurück, damit im Refrain Gitarren und Chor um so pompöser wirken. Déjà vu? Schon die ganze Zeit.
"No More Lies" - grüßt mich schon wieder das Murmeltier? Laßt das Vieh verhungern, ich hab keinen Bock mehr.
Daß der letzte Track "Na Ga Ja" schon wieder so klingt wie der vorletzte, ist diesmal gewollt: Derselbe Song, nur diesmal auf koreanisch gesungen (nehme ich mal an, meine Fremdsprachenkenntnisse sind schon erbärmlich).
FAZIT: NIGHTWISH für Arme. Diese Musik wirkt so unglaublich künstlich, konstruiert, kalkuliert und bis auf die Grundierung glattpoliert, daß nicht mehr die geringste Kante übriggeblieben ist, an der sich zarte, radiobeträufelte Hörerseelchen verletzen könnten. Investiert doch die Produktionskosten für dieses Album lieber in fünf andere Bands, die noch einen Funken Authenzität in ihrem Musiker-Arsch brutzeln haben und wenigstens den verzweifelten Versuch wagen, mit ihrer Musik noch irgendetwas auszudrücken.
Punkte: 5/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.02.2008
Frank Stumvoll
Ji-In Cho, Frank Stumvoll, S.C. Kuschnerus
Chris Siemons
Ji-In Cho, Chris Siemons
S.C. Kuschnerus
EMI
21:07
2006