Zum Abschied ein Glas auf Al Jourgensen und ein sehr starkes Album. Die Thrash-nahe Linie von „Rio Grande Blood“ wird auf „The Last Sucker“ fortgeführt. Die letzte Abendqual ist dabei Slayer und Anthrax sehr nahe; vor allem die Gitarrensoli lassen mehr alten Metalgeist im Raume schweben als die Mehrzahl irgendwelcher aktueller In- Flames- oder Maiden-Tributbands mit Lippenpiercing. Bush-Zitate gibt es nicht mehr so viele, doch dafür im Abschlussdoppel ausladende Sequenzen von Weltkriegs-O-Ton-Schnipseln. „Death & Destruction“ lässt den Texaner dann doch noch – geschickt zusammengeschnitten – Stuss von sich geben.
Es ist also Zeit für mehr Musik, wenngleich diese intensiv ist und kaum Atempausen lässt: ein Riff, ein Beat – ab dafür... Textlich ansprechend geben MINISTRY sich nach wie vor: es geht um „fears“ und „ramifications“ im auffordernden „Let´s Go“, und bissig bemerkt der Frontmann in seiner persönlichen Politker-Widmung „Dick Song“, er habe nie studiert und dennoch seinen Abschluss. So schön kann Fingerzeigen sein, wenn die Hooks dazu riesengroß sind – und das selbst im Überschalltempo des Titeltracks. Angstfabrikant Burton C. Bell darf beim punkigen “Die In A Crash” sowie den beiden Endsongs seine Stimme erklingen lassen, und fremd ist ansonsten noch der „Roadhouse Blues“ der Doors – jedoch kaum wiedererkennbar. Davon abgesehen bietet „The Last Sucker“ keine Überraschungen. Mit dezent waviger Note schließt es im zweiteiligen Finale sogar einen kleinen Bogen zur frühen Industrial-Pionierzeit der Band, als Paul Barker noch zugegen war.
Vielleicht ist es schade, dass MINISTRY nicht weitermachen – vielleicht aber auch besser so, denn erstens geht man durch diese Scheibe in Würde, und zweitens gäbe es in Zukunft wohl nur noch Wiederholung auf niedrigem Niveau, was sich hier glücklicherweise aber noch nicht andeutet. Besser hätte Jourgensen seinen Tod nicht inszenieren können.
FAZIT: In den letzten Jahren zur Gewohnheit gewordene MINISTRY-Kost, die der Abschiedsumstand zu etwas Besonderem macht. Unabhängig davon eine energiereiche Thrash-Platte mit dünnen Industrial-Wurzeln, Rotzigkeit und politischem Gediss: Wertvoller als Punk, und aggressiver als Aggro-Metal 2007. Ein Glas auf eine Institution, die das Zeitliche segnet, ehe sie vorzeitlich wird.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.02.2008
Al Jourgensen, Tommy Victor, Paul Raven, Sin Quirin
Al Jourgensen, Tommy Victor, Paul Raven
Al Jourgensen, Tommy Victor, Paul Raven, Sin Quirin
John Bechdel
Al Jourgensen (programming/harmonica)
13th Planet/Soulfood
55:58
2007