So schöngeistig wie die Aufmachung des neuen Albums von Frederik Sioen ist die Musik des Belgiers nicht durchweg; sein Klavier-getragener Liedschreiber-Stoff tendiert mitunter in Richtung Kleinkunst, ohne ein großes Publikum vor die Köpfe zu stoßen: Sozusagen Qualitäts-Mainstream zwischen Indie und Musik für gesetzte, aber nicht alltagsträge Menschen. Die Band ist hörbar eine aus Europa und kein um Authentizität bemühter Freizeit-Kuhjungentrail.
Den Rahmen dieses Albums stellen Piano-Gesangs-Solostücke, welche den Namensgeber in den Mittelpunkt rücken. Seine Texte – ob globale Friedensbekundung bei „What I Fail To Understand“ oder die der mehrheitlich introspektiven Songs mit sprechenden Titeln („Suicidal Mindset“, „So Lonely“) – sind durchweg lesenswert, so man nicht sowieso genau hinhört; sie stehen zentral und werden von der Banddarbietung in ihrer Aussage intensiviert. Dadurch klingt „It Didn´t Last“ nach einer neueren Peppers-Ballade und „Ready For Your Love“ ähnlich sonnig, wobei SIOEN nur hier die Dunkelheit vollkommen ablegen, die stets bei ihnen mitschwingt. Diese äußert sich allgemein in kurzen, knarzigen Gitarrensoli und dem Spiel in den tiefen Tastenregistern sowie feinfühligen Dissonanzen; virtuose Triller und zahlreiche Verzierungen im Instrumentalbereich schärfen die Kanten der manchmal erwartungsvollen Lyrics zusätzlich.
Darüber hinaus arbeitet die Gruppe vorzüglich mit der Lautstärke in „Communicate“ und stellt dem generell leisen Rock-Konzept rührende Streicherarrangements zur Seite, etwa in „I Need A Drug“. Der krude Abschluss „I Play A Song For You“ tänzelt fast so betrunken durch die Manege wie Tom Waits, jedoch wie bereits erwähnt, ohne die Massen zu vergraulen. Das macht SIOEN niemals zur Fahrstuhlbestallung und sollte musikalisch auch gediegene Progressiv-Freunde stimmig unterhalten – inhaltlich hingegen nachdenklich stimmen und zur Einkehr gemahnen.
FAZIT: Intimität ist keine Floskel für die persönliche Musik SIOENs. Nicht verstiegen oder gewollt melancholisch stellt der Songschreiber vornehmlich ruhige Stimmungen zu abwechslungsreichen wie eingängigen Tracks zusammen, die von seiner Begleitband phänomenal umgesetzt, vom Produzenten feinfühlig inszeniert werden. „A Potion“ ist fürwahr ein Heilmittel gegen gesichtslose Schrammelgitarren und Alibi-Folk.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.02.2008
Sjang Coenen
Frederik Sioen, Fritz Sundermann, Sjang Coenen
Fritz Sundermann, Jeroen Baert
Frederik Sioen, Sjang Coenen
Laurens Smagghe
Laurens Smagghe, Frederik Sioen (perc), Jeroen Baert (violin, viola)
Universal
(48:32
2007