Zurück

Reviews

Orplid: Greifenherz

Stil: Neofolk / Experimentelle Musik

Cover: Orplid: Greifenherz

Mit den wärmeren Sounds ihrer jüngeren Vergangenheit haben ORPLID aus Halle an der Saale zumindest vorübergehend abgeschlossen. „Greifenherz“ ist ein kaltes, phasenweise gewollt abstoßendes Album geworden, das eine folkloristische Instrumentierung mit verstörenden, beinahe maschinellen Sounds anreichert, so dass hier schon von einer Art Industrial Folk gesprochen werden kann. Sicher ist das eine fast schon perverse Wortschöpfung, doch umschreibt dies das Grundgefühl, das „Greifenherz“ zugrunde liegt, ziemlich passend. Hier wird nicht mehr in verklärter Natur-Romantik geschwelgt, hier stampfen martialische Rhythmen, zu denen mit tiefer Stimme finsterere und sprachgewaltige Untergangs-Gedichte gesungen und rezitiert werden. Man lausche der Vertonung eines Gedichts Rolf Schillings („Luzifer“) und ein Großteil aller Black Metal-Bands kann einpacken, was das Heraufbeschwören apokalyptischer Teufelsvisionen angeht.

Die Texte spielen bei „Greifenherz“ eine wichtige Rolle, weil sie untrennbar mit der Musik verschränkt sind. Lässt man die Texte außen vor, gibt die oftmals arg simple Instrumentierung für sich allein nicht genug her, um auf Dauer zu unterhalten (als Beispiel sei hier der „Schwertgesang“ genannt). Faszinieren können die Stücke, die von Sandra Fink gesungen werden. Man mag ihren Gesangsstil als affektiert und unnatürlich abstempeln, aber genau das ist hier Stilmittel. Sandras Stimme spielt mit den Texten wie ein Schauspieler mit seiner Rolle und verstört dabei durch Intonationen, die abwechselnd wie die einer Wahnsinnigen oder Sterbenden klingen. Selten kommt es vor, dass weiblicher Gesang Ekel auslöst und dennoch fasziniert. Dies ist keine erbauliche Kunst, sondern eine Kunst, die weh tut, durchrüttelt und durch die verstörende Wirkung zu befremdlichen, nicht gekannten Assoziationen führt. Ein weiteres Paradebeispiel dafür ist die Rezitation von „Des Sperbers Geheimnis“ von Uwe Nolte. Eine dezente, fast ambientartige Instrumentierung legt das Fundament für die Texte, die, banal formuliert, nur davon erzählen, wie ein Sperber seine Beute reißt. Doch wird diesem Vorgang eine mythische Qualität zugesprochen und derart bildhaft vorgetragen, dass „Des Sperbers Geheimnis“ eine wörtlich traumhafte Qualität verliehen wird.

FAZIT: Keine leichte Kost, was ORPLID hier abliefern. Mit seiner dunklen, mitunter martialischen Grundstimmung, die Folk mit wenig Schönklang und experimentelle Sounds mit gefühlten Industrial-Einflüssen ohne Stromgitarren verbindet, erschafft Frank Machau ein poetisch postmodernes Monster, das unangenehm berührt und gleichzeitig faszinierend ist. Spannend und nur schwerlich mit den üblichen Maßstäben zu bemessen.

Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.11.2008

Tracklist

  1. Falken-Eid I
  2. Luzifer
  3. Schwertgesang
  4. ...
  5. Totenesche
  6. Myrmidonenklage
  7. Des Sperbers Geheimnis
  8. ...
  9. Schlaf im Mohn
  10. Traum von Blashyrkh
  11. ...
  12. Der Anarchist
  13. Gesang an den Horusfalken
  14. Falken-Eid II

Besetzung

  • Sonstiges

    Frank Machau (Musik, Komposition, Gesang), Uwe Nolte (Wort, Bild, Gesang)

Sonstiges

  • Label

    Prophecy

  • Spieldauer

    54:11

  • Erscheinungsdatum

    24.11.2008

© Musikreviews.de