Unterschiedlicher hätten die Karrieren der beiden Survivors von Roxy Music - Brian Eno und BRYAN FERRY - nicht verlaufen können. Parallel zum reputierlichen Produzenten und Ambient-Beschwörer Eno hat Beau Ferry eine Pop-Karriere aufs Parkett gelegt, die zwischen Ambition und Glam-Kitsch stets hart an der Grenzen dessen schrammte, was der "ernste" Musikhörer verwinden konnte: Dennoch warf diese Laufbahn nicht uninteressante und bisweilen unkaputtbare Musik ab (wohl auch durchs Schmücken mit fremden Federn in Gestalt von Coversongs), der nun mit einer sehr wertigen Best-OF-Veröffentlichung Rechnung getragen wird.
Im Gegensatz zu einstigen Glitzerpriestern wie David Bowie kam FERRY nie über den Status des geckenhaften Pfau hinaus. Rekapituliert man seine Diskographie, wollte er dies auch gar nicht; der Kniefall vor Bob Dylan täuscht in dieser Hinsicht, denn seine Interpretation der Ikone geriet mit "Dylanesque" recht grenzwertig (höre etwa "The Times They Are A-Changin'"), wie auch das Songbook-Repertoire an Standards in einer Weise aufbereitet wird, die nicht jedem schmecken muss ("I Put A Spell On You"). Tatsächlich gefällt FERRY in seiner angestammten Rolle als hüftschwingendes Sternchen besser, wie der ewige Boogie-Klassiker "Let's Stick Together" beweist. Den meisten Hörern und Mainstream-Konsumenten ist FERRY durch diesen Überhit ein Begriff; da dürfte sich kaum jemand für gestreckte Prog-Versuche und Ur-Jazz-Entwürfe interessieren, zumal diese offenbar stets mit einem Augenzwinkern dargeboten werden. Letztlich wird diese Compilation dem Popgeschichts-Chronisten ein interessantes Album sein - Gebrauchsmusik-Hörer kaufen sie auch wegen der bunten Bilder auf der DVD, bleiben aber in erster Linie am obligatorischen Hitmaterial hängen, wenn sie die CD einwerfen.
Der visuelle Teil macht die Veröffentlichung am Ende auch empfehlenswerter als andere Releases dieses Formats: Hier gibt's Musikvideos in allen Varianten auf Augen und Ohren - vom Mann am Klavier bis zum Absacker an der Theke spielt FERRY Rollen, die vor allem während seiner Frühphase beim Rezensenten immer wieder Erinnerungen an Udo Jürgens wecken - auch wegen der Physiognomie des Barden und der Musikantenstadl-Szenerie der Clips. Ab "You Go To My Head" ist indes eine Entwicklung zu durchaus künstlerisch ambitionierten Filmchen zu verzeichnen, die analog zum Siegeszug des Musikvideo-Formats im TV zu verstehen ist - auch historisch interessant, die Bilderstrecke ... Das Gezierte und Schauspielerische in FERRYs Musik eignet sich ohnehin bestens für dieses Medium, und im visuellen Kontext kauft man dem Sänger manche seiner Affigkeiten eher ab, als wenn man sie bloß auf CD hört. Den Dieter Bohlen mit Alibi-Geklampfe beherrscht FERRY übrigens auch sichtbar gut ...
FAZIT: Ob das den auf dieser Webseite Suchenden interessiert ist eine andere Frage, aber kommen wir unserer Pflicht nach: Die Zusammenstellung geht im besten Sinn als gehaltvoll durch - Ein Monstersänger war BRYAN FERRY nie, und wer ihn neu entdecken möchte (es gibt schlechtere, aber auch interessantere Veteranen in allen Stirichtungen) tut dies hiermit oder besser noch mit einer alten Schote von Roxy Music. Vor Schnulzen ist man in keinem Fall verschont.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.12.2009
Bryan Ferry
Virgin
78:51
23.12.2009