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Sidewaytown: Years in the Wall

Stil: Postrock

Cover: Sidewaytown: Years in the Wall

Verflixt, die Melodie des Openers will nicht mehr aus dem Schädel, und dabei ist sie so melancholisch süßlich, dass das Feilbieten von SIDEWAYTOWN in Metal-Kreisen eigentlich wie ein Unding erscheint. Da spielt das alte Autumnblaze und Prophecy-Umfeld eine größere Rolle als die einstweilige Zusammenarbeit mit ex-Cemetary/-Sundown-Grummelstimme Matze Lodmalm. Dennoch: Dieses Ein-Mann-und-seine-Helfershelfer-Projekt hat mehr mit Sigur Ròs zu tun als mit irgendwelchen metallischen Spielarten.

Fürwahr, "Years In The Wall" passt perfekt in die dunkle Jahreszeit: Wie in Watte oder eine wohlige Decke gehüllt kommt man sich vor, und dementsprechend einlullend gerät der Charakter der Musik im Verlauf der Scheibe. Das ständig gleiche Strickmuster mag man Baltes als Gleichförmigkeit und Kreativarmut ankreiden, wie er der vornehmlich in Skandinavien zelebrierten Nischenmusik generell nichts Neues hinzufügt (These: Es wurde bereits alles gesagt und ausgelotet). Andererseits - falls man die einseitige Stimmung schätzt - machen SIDEWAYTOWN effektheischendes Gehabe und musikalische Kapriolen durch großmütige Bombastgesten wett. Die Melodien - zumeist vorhersehbar - betören bei entsprechender Stimmung trotzdem.

"Empty Station", der erwähnte erste Song sowie "Outpatient: Voice" lassen sich nahezu willkürlich als Anspieltipps herauspicken. Die Texte lesen sich ähnlich ambivalent, wie der Gesang asexuell wirkt. Nennt es Postrock, alternativen Prog (nein, das ist großer Unsinn) oder was auch immer. Nichts greift wirklich bei dieser eigentümlichen Musik, die nicht so gegenstandslos wie etwa das Frühwerk der genannten Isländer wirkt, jedoch immer noch meilenweit von der Realität entfernt tönt. Nicht neu, nicht spektakulär, aber ohne Aufregung und durchaus gern (!) zu hören. Ist doch was, oder nicht?

FAZIT: Ob ätherische Musik aus androgynen Vocals, Hallfahnen und Klangwänden nicht ausgedient hat, sollte jeder selbst entscheiden. Das immer mal wieder eine Scheibe in diesem Stil erscheinen darf, rechtfertigen SIDEWAYTOWN mit Eingängigkeit und angenehm unaufgeregtem Auftreten. So lange Baltes keine Wiedergänger in der Zahl heraufbeschwört, die Power- und Black-Metal-Bands mittlerweile Legion hat werden lassen, darf man diese Art der Weltflucht im Strickpulli willkommen heißen.

Punkte: 10/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.12.2009

Tracklist

  1. Sorry For The Bad View
  2. Paper Walls
  3. Asylum F22.0
  4. Put Your Sun In The Corner
  5. Beautiful Accident
  6. Lightseconds
  7. Empty Station
  8. Don't Visit A Dying Bastard
  9. Outpatient: Voice
  10. The Fine Print

Besetzung

  • Bass

    Fabian Strauß

  • Gesang

    Markus Baltes

  • Gitarre

    Markus Baltes

  • Schlagzeug

    Ulf Schwadorf

Sonstiges

  • Label

    Viva Hate

  • Spieldauer

    44:04

  • Erscheinungsdatum

    11.12.2009

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