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Kummerbuben: Schattehang

Stil: Alternative Volksmusik

Cover: Kummerbuben: Schattehang

Man stelle sich folgendes Szenario vor: SIXTEEN HORSEPOWER schnappen sich TOM WAITS kleinen Bruder, gehen in die Schweiz ins Exil und beschließen, nur noch Schwyzerdütsch und Französisch zu singen. Damit ist der Spielplatz grob umrissen, auf dem sich die KUMMERBUBEN auf ihrem zweiten Longplayer „Schattehang“ austoben.
Das weitgehend akustische Instrumentarium wird verwendet, um eine Mischung aus kitschfreier Volksmusik, Folk, Blues, Chanson, bis hin zu Ska-Elementen („Händschelied“) und Punk vor’s geneigte Publikum zu bringen.
Obwohl die Grundstimmung eher melancholischer Natur ist – kein Wunder bei den schwerblütigen Themen zwischen Krieg und Liebesleid -, geht die Band mit überbordender Spielfreude zu Werke. Und lässt auch kleine Späßchen zu, wie den beliebten Kanon „Le Coq Est Mort" (Der Hahn ist tot) als akustische Punk-Hymne mit schunkeligem Don Kosaken-Flair zu zelebrieren.

Nicht ganz einfach zu ergründen (trotz detailliertem Booklet), passt das rauchige Schwyzerdytsch ausgesprochen gut zu den Songs; und wer wäre nicht gerne bei Anneli „Hinderem Huus im Gärtli“ beim Rosenpflücken, wenn sie so inbrünstig besungen wird?

Ganz erreichen die KUMMERBUBEN die manische Intensität von David Eugene Edwards und seinen jeweiligen Inkarnationen nicht. Aber das ist auch wurscht. Denn zwischen freundlicher Verspieltheit und nachdenklicher Melancholie entsteht äußerst hörenswerte, beseelte und eigenwillige Volksliedkunst.

FAZIT: Was man aus traditionellen Weisen und Texten, in Verbindung mit eigenen Kompositionen, rausholen kann, beweisen die KUMMERBUBEN auf emphatische Art. Nach dem Debüt „Liebi und andere Verbräche“ liefern sie mit „Schatteland“ eine weitere, tiefdunkel funkelnde Liebeserklärung an ihre Schweizer Heimat ab. Die Geister von SIXTEEN HORSEPOWER, TOM WAITS und Landsmann STEPHAN EICHER geben dem Ganzen den berechtigten Segen. Und wer zum „Stomperli“, mit den wunderbaren Zeilen: „Dr Herrgot im Himmel, und ds Schätzli im Arm“, nicht die Tanzfläche stürmt, ist selbst schuld. Dazu noch exzellent klingend und mit dem vorzüglichen Schlaflied „Guet Nacht, Mys Liebeli“ wahrhaft ergreifend ausklingend, ist die Repeat-Taste schnell gedrückt. Mindestens so oft bis die Texte mitgesungen werden können.

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.04.2010

Tracklist

  1. Andermatt
  2. Händschelied
  3. Has
  4. `s het deheim e Vogel gsunge
  5. Anneli, wo bisch geschter gsi?
  6. I dr Aare
  7. La Marie
  8. Lügemärli
  9. Stomperli
  10. Wo chunnt dr Chrieg här?
  11. Le coq est mort
  12. Alperose
  13. Stäcklichrieg
  14. Guet Nacht, mys Liebeli

Besetzung

  • Bass

    Higi Bigler

  • Gesang

    Simon Jäggi. Mario Batkov

  • Gitarre

    Urs Gilgen, Mario Batkov (6), Tobi Heim (9)

  • Schlagzeug

    Tobi Heim

  • Sonstiges

    Mario Batkov (Akkordeon), Daniel Durrer (Sax.), Urs Gilgen (Mandoline, Banjo, Geräusche) Regula Neuhaus (Vibraphon), Mark Oberholzer (Trompete), William Gossauer (Tuba), Gyda Vvaltysdottir (Cello, 6)

Sonstiges

  • Label

    Chop Records

  • Spieldauer

    49:40

  • Erscheinungsdatum

    30.04.2010

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