Unterstellt man mal, dass das hier genau die Musik ist, die Matt Roehr liebt und am liebsten auch spielt, so kann man vermuten, dass ihm die Arbeit bei den BÖHSE ONKELZ zuletzt nicht mehr allzu viel Spaß gemacht hat. Denn das, was Gonzo (wie er sich auch nennt) heutzutage macht, hat mit der Musik der kontroversesten, aber auch erfolgreichsten deutschen Rockband aller Zeiten wirklich gar nichts mehr zu tun. Und der klassische Onkelz-Fan wird mit "Out Of The Great Depression" folglich auch gar nichts anfangen können.
Zeitloser Rock, der mit vielfältigen Einflüssen aus Soul, Blues, Singer/Songwriter-Musik, Funk, Country und Weltmusik gekonnt vermischt wird, ist das Gebot der Stunde. Auffallend ist dabei neben dem Können der beteiligten Musiker vor allem der extrem positive Vibe, den das Album über die gesamze Laufzeit verströmt. Die 15 Songs ziehen den Hörer wirklich mit aller Macht aus der großen Depression heraus - wenn man sich denn darauf einzulassen vermag. So ist mir die Ausstrahlung dieser Musik auf Dauer schon fast zu positiv und es fällt mir dementsprechend eher schwer, mich davon wirklich mitreißen zu lassen, zumal das Ganze hin und wieder auch eher seicht, als kraftvoll wirkt - trotz der wirklichen spitzenmäßigen Produktion, die Roehr sich hier im arizonischen Phoenix gegönnt hat.
Öfter als zuvor singt Roehr auf dem Album mit unerwartet heller Stimme, seine wahres Talent steckt aber im gefühlvollen Gitarrenspiel, das oft von Klavier und funkigen Bläsern unterstützt wird. Die Songs sind weitestgehend sehr eingängig und viele Refrains haben einen hohen Wiedererkennungswert, mit oberflächlicher Poppigkeit haben die Lieder trotzdem nichts zu tun. Gleich vier Instrumentals finden sich auf dem Album und ich muss gestehen, dass mir die am besten gefallen. So ist das abschließende, gefühlvolle "TGIF" mein Highlight des Albums, aber auch "Canción Para Una Belleza" und "Bet On Tomorrow" sind einfach schöne Songs. Von den Stücken mit Gesang sind haben mich die Single "Fuel Into The Fire" und "Dead Cats Bounce" noch am ehesten überzeugen können. "The Hook" und das sehr softe "Pretty Things" waren dagegen die Tiefpunkte.
Neben der Hochwertigkeit der Musik, die hier definitiv gegeben ist, legte Roehr ebenso viel Wert auf die optische Gestaltung des Albums. So erscheint "Out Of The Great Depression" als sogenanntes Earbook mit vielen Arbeiten der Fotografen Daniel und Geo Fuchs und Grafikdesign des brasilianischen Künstlers Glaucio Ayala, der auch als Drummer und Perkussionist in Erscheinung tritt.
FAZIT: Rockmusik mit Anspruch und Seele ist das Metier von Matt Roehr, in dem er sich rein musikalisch meisterhaft bewährt. Trotz aller Eingängigkeit ist sein zweites Soloalbum vom Mainstream so weit entfernt, wie die legendäre Route 66 lang ist. Ohne despektierlich klingen zu wollen, ist die Musik aber allerdings eher was für die Ü40-Fraktion, von der ich noch ein paar Lebensjährchen entfernt bin, weshalb mir das Album ganz subjektiv auch nur teilweise zusagt.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 07.03.2010
Marcelo Linhares
Matt Roehr, Charlie Huhn
Matt Roehr
Glaucio Ayala
Stephan Weiler (Klavier, B3, Rhodes, Wurlitzer, Clavinet), Mike Smith (Pedal Steel Gitarre), Kurt Finchum (Trumpet), Doug Robinson (Posaune), Jerry Donato (Saxophon)
Edel Germany
58:58
05.03.2010