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Matter: Blackleg

Stil: schwierig... Matter eben

Cover: Matter: Blackleg

Es gibt Bands, die nur eine oder zwei Scheiben hinbekommen haben, auf diesen aber kreativ förmlich explodiert sind und die Frage in den Raum stellen, was sie uns noch Großartiges hätten schenken können – wäre der Durchbruch geglückt. Doch wie heißt es sinngemäß in Blade Runner? Ein Stern, der doppelt so hell brennt wie andere, brennt eben auch nur halb so lang. Und oft brannten diese Bands sehr hell. Mit so wenig kreativem Output gerät man schnell in Vergessenheit, doch lohnt es sich, den metallischen Untergrund immer wieder nach solch gescheiterten Existenzen zu durchforsten.

Eine davon sind MATTER aus England, die auf ihrem einzigen Album einen völlig eigenständigen Stil aufboten, welcher seinerzeit im Ox von einem geschätzten Kollegen recht treffend als „HELMET meets NAPALM DEATH“ beschrieben wurde. Klingt unvereinbar, ist es aber nicht. Man nehme einfach die massive Wall of Sound der HELMET-Gitarren, addiere die Komplexität der Harris-Riffs und die rhythmische Geschliffenheit von ND, subtrahiere wiederum die Blastbeats und schon hat man eine mächtige, entfesselte, brutalst in die Beine und den Kopp gehende Groovemaschine.

Jeder der Musiker spielt hier absolut prägnant. Der Gitarrist verfolgt seinen völlig eigenen Stil zwischen Soundwand und Auf-die-Fresse-Stakkato, der quer durch alle Stimmlagen kreischende, krächzende, grölende und grunzende Sänger lässt trotz fehlender Melodien wunderbar mitbrüllbare Ohrwürmer entstehen, was seiner treffsicheren Phrasierung zu verdanken ist. Das Ass unter den Assen ist hier vielleicht der Schlagzeuger, denn obwohl er sich nie allzu weit von einem straighten Grundbeat entfernt, ist sein Spiel so ungewöhnlich, ausgefeilt und akzentuiert, dass seine Motive phasenweise einen großen Teil der Eingängigkeit ausmachen – nachzuhören etwa in „Arsonist“ oder „Spastic“. Allerdings sind Anspieltipps im Grunde überflüssig, denn „Blackleg“ ist eines dieser Hit-Füllhorne ohne schwachen Moment.

Das einzige Problem ist die Kürze der Scheibe, denn wenn man nach einer guten halben Stunde, in der man mit Urwucht gegen die Wand geklatscht wurde, seine Knochen wieder einsammelt, will man eigentlich nur eines: mehr davon.

FAZIT: Bei englischen Internethändlern mittlerweile für ein paar Pence (!) zu bekommen, bieten MATTER das, was so vielen fehlt, die Kombination von überbordender Kreativität, kompositorischen Talent, handwerklicher Souveränität und stilistischer Unverwechselbarkeit. Ein Jammer, dass es nicht mehr von ihnen gibt, aber zumindest „Blackleg“ sollte jeder besitzen, der auf der Suche nach Musik jenseits der gängigen Schablonen ist und dessen Aufmerksamkeitsspanne noch ausreicht, sich in wirklich Neues einzuhören.

Einige weitere Beispiele der Kategorie „begnadete Eintagsfliege, die kein Schwein (mehr) kennt:
SKITSOY (Review hier), HATRIX (Review hier), MORBID SAINT, OPPOSITE EARTH, SLAPDASH, SUICIDE WATCH, MURDERONE, TECHNOCRACY, MEDULLA NOCTE, FLOODGATE, APOLLYON SUN, HAJI’S KITCHEN, ACID BATH, CITY OF GOD, DEMONS OF DIRT, RELEASE, HEAVENS CRY, CATASTROPHIC, DISRUPT, C-187, DÉTENTE, SONS OF JONATHAS, SOULS AT ZERO, SKIN LIMIT SHOW, NIEDERSCHLAG, MEATHOOK SEED… und diese Liste ist selbstverständlich unvollständig.

Punkte: 13/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.10.2010

Tracklist

  1. Bloated
  2. Hammer
  3. Stabbed
  4. Arsonist
  5. Alpha
  6. (full credit)
  7. 9Bar
  8. Spastic
  9. Megalith
  10. Bad Loser

Besetzung

  • Bass

    Jamie Perryman

  • Gesang

    Dom Lawson

  • Gitarre

    Gavin Rushman

  • Schlagzeug

    James Burt

Sonstiges

  • Label

    Undergroove

  • Spieldauer

    34:20

  • Erscheinungsdatum

    17.10.2001

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