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Rootwater: Visionism

Stil: Extremcrossover

Cover: Rootwater: Visionism

Achachach, ist das herrlich, wenn manche Bands so richtig einen Riss in der Schüssel haben. Schrägoholiker werden dieses polnische Quintett bestimmt schon lange in ihr Herz geschlossen haben, und die, die ROOTWATER noch nicht kennen, sollten das mal ganz, ganz schnell ändern, denn was auf „Visionism“, dem dritten Longplayer, so abgeht, wäre des Verpasstwerdens zu schade.

Die Warschauer sind keine Truppe der Sorte „hauptsache durchgeknallt“, denn neben aller Abgedrehtheit haben es die fünf drauf, richtig feines, ausgereiftes Songwriting an den Tag zu legen. In den meist sehr eingängigen, wenn auch oft langen Songs werden zwar oft Erinnerungen an FAITH NO MORE, MIKE PATTON, WHITE ZOMBIE, frühe SLIPKNOT und MUDVAYNE, KYYRIA, SYSTEM OF A DOWN, entfernt auch SLEEPYTIME GORILLA MUSEUM, PRONG, tribalesken SEPULTURA undundundoderoderoder wach – doch das „Metal meets Hardcore meets Crossover meets Folk meets Ambient meets Oriental meets Klassik meets Elsbeth meets Henner meets Klaus-Dieter meets Kalbfleisch meets Nutella“-Gewusel verfügt über mehr als genug Eigenständigkeit, sodass der Vorwurf einer weiteren, alles zusammenklauenden Stilmix-Kaspertruppe im Falle ROOTWATERs absolut unbegründet bleibt.

Im einen Moment lassen einen die Osteuropäer wie besessen durch die Gegend hopsen, und dann steht man dank der intensiven Atmosphäre so mancher Passagen nur noch mit offenem Mund da. Der Kontrast zwischen den höllischen Grooves sowie beeindruckender Aggression und der irrsinnig schönen Melodien sowie ergreifenden Parts wird auf „Visionism“ kompromisslos ausgereizt und durch den perfekten, die Extreme auslotenden Sound optimal in Szene gesetzt. Einfach nur noch staunen kann man bei dem chamäleonartigen Gesang des Gründungsmitglieds Maciej Taff. Erst ist der Gesang quäkig wie ein Bastard aus Pasi Koskinen, Kärtsy Hatakka und Ville T., dann wird eine Röhre á la „James Hetfield, wenn er besser singen könnte, gekreuzt mit Nick Holmes, wenn er besser singen könnte“ ausgepackt, und hinterher wird fast powermetallisch und rau ins Mikro gekratzt. Eingangs genannter Herr Patton scheint auch nicht gerade selten Einfluss auf Mr. Taffs Gesangskünste gehabt zu haben – und dann tönt das Organ dämonisch-bedrohlich oder einfach nur obsessionsschwanger und völlig meschugge.

FAZIT: Der aktuelle ROOTWATER-Output ist ein Meisterstück des modernen Stil-Gruppensex. Top-Sound, fesselndes Songwriting, Hits im Kaputtnikgewand, unter die Haut gehende Melodien, Überraschungsoverkill. Wahnsinn ohne „Wer ist der Verrückteste?“-Genitalcontest. Aus diesen und vielen anderen Gründen, derer aufzuzählen noch etwa siebenunddreißig weitere Absätze in Anspruch nehmen würde, stellt dieses Ding mal eben so gut wie alle Ultramultigenre-Releases in den Schatten, und ich bin nah dran, „Visionism“ die Höchstpunktzahl zu geben. Doch da ich mir nicht sicher bin, ob diese Geilerei getoppt werden kann – zuzutrauen wäre es ROOTWATER –, gebe ich sehr starke vierzehn Punkte.

Punkte: 14/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 20.02.2010

Tracklist

  1. Intro
  2. Venture
  3. Living In The Cage
  4. Closer
  5. Frozenthal
  6. Freedom
  7. Timeless
  8. Realize
  9. Follow The Spirit
  10. Alive
  11. The Ministry
  12. Steiner
  13. Under The Mask
  14. Visionism
  15. Haydamaka
  16. Bonus Track

Besetzung

  • Bass

    Filip Ha?ucha

  • Gesang

    Maciej Taff

  • Gitarre

    Sebastian Zusin, Marcin Walenczykowski

  • Schlagzeug

    Grzegorz Olejnik

Sonstiges

  • Label

    Mystic Production

  • Spieldauer

    60:25

  • Erscheinungsdatum

    21.02.2010

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