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Sick Of Society: Im Sternbild des Kaos

Stil: Punk

Cover: Sick Of Society: Im Sternbild des Kaos

SICK OF SOCIETY haben bereits in der Vergangenheit auf diesen Seiten Zuspruch gefunden für ihren unaffektierten Punk mit mancherlei Hardcore- und Metal-Einflüssen. Ihre aktuelle CD-DVD-Kombination sucht im Stilsegment der Band ihresgleichen, zumal die Gruppe das Projekt wie üblich quasi in Eigenregie gestämmt hat. "Im Sternbild des Kaos" ist dabei nicht weniger als eine Werkschau der bisherigen Laufbahn der Musiker geworden.

Während die DVD den Großteil der auf CD vertretenen Tracks im Livegewand feilbietet und dabei die angemessene Form bewahrt, ohne mit Hinblick auf Menüführung des Mediums beziehungsweise die der Kameras während der Aufnahme der Jungs in allen Konzert-Lebenslagen neue Standards zu setzen, sei dem Unbeleckten die Musik an sich zunächst ans Herz gelegt. Die Zielgruppe indes sollte Bescheid wissen, dass die Bilder eine mehr als nur zweckmäßige Ergänzung zu den Songs an sich darstellt; Kenner erhalten also ein tolles Zubrot, so sie die Lieder von SICK OF SOCIETY bereits in- und auswendig kennen, während Neulinge einen Blick ins Schaffen der Combo wagen dürfen - die DVD also gilt Ersteren, die CD vor allem Letzteren.

Ein Lied wie "Raise Your Voice" oder eher noch "War In The Name Of Freedom" bringt ungeachtet der nervigen, mittlerweile reichlich überholten Bush-Junior-Zitate auf den Punkt, was man von SICK OF SOCIETY erwarten kann: eine Mischung aus ruppigem Hard- und einstweiligen Melodycore-Bezügen, mit welchen im Ohr man gerade wegen des Gesangs unweigerlich an BAD RELIGION denkt. Weiterhin ist ein simpler wie effektiver Deutschpunk-Habitus, während "In the Drain" etwa mit leicht schrägen Chören, überall dort zu verzeichnen, wo SICK OF SOCIETY ihre Kanten bewusst nicht abschleifen (charmantes Denglisch im Titel "You Will Bring Me in the Grave" bai ze wei ....). Die zweite, ungleich rauere Leadstimme spricht desbezüglich eine deutliche Sprache. Einiges an Worten ist entgegen der deutschen Songtitel auf Englisch verfasst worden ("Alles Scheiße"), und trotz stets mitschwingenden Humors handelt es sich bei diesem Trio nicht um eine unsägliche Funtruppe; dass man ihnen gerade auf DVD den Spaß ansieht, ist hingegen nicht verboten, denn im Punk wird im Gegensatz zu anderen Musikformen die Kunst bekanntermaßen nicht als qualvoller Zwang zur Verewigung der schönen und reinen Seele empfunden. Stattdessen gibt's aufs Maul mit thrashig schnellem Singalong-Feuer à la "It's Me" beziehungsweise "Jesus, God & I". Die kitschfreie Melancholie schieben SICK OF SOCIETY ebenfalls durchaus überzeugend in "It's A Monster", einer außerordentlich ausgefeilten Komposition mit solistischen Ausflügen und einer nicht zu unterschätzenden Dramatik für dieses Genre; feine mehrstimmige Gesänge - kein Grölen - gibt es ebenso zu bestaunen wir andererseits metallisierten Straßenrock in Gestalt von "Sick Of ...". Mit "Rules / Dead" oder dem getröteten Duschsong stehen die exzentrischen Schrägheiten am Ende; erstaunlich ist es zudem, dass nur wenige Stücke, beispielsweise die mit "Porn-" präfigierten, stiltypisch austauschbar wirken. Demzufolge darf man SICK OF SOCIETY überdurchschnittlichen Abwechslungsreichtum attestieren. "The Gap" schwingt am oberen Ende der Härteskala aus, und zwar langsam: sein grooviges Zähmetall kommt durch den fließenden Übergang zum folgenden Stück besonders intensiv. "The Wall" entwickelt sich nämlich schlussendlich zum dynamischen Brocken.

Weshalb SICK OF SOCIETY bislang nicht mehr Wirbel in der deutschen wie internationalen Szene machen konnten, bleibt unklar; liegt es am konsequenten Selbstmach-Anspruch, welche größere Plattenfirmen schlicht abprallen lässt? Vom Sound der Studioaufnahmen können andere sich ein paar Scheibletten abschneiden, gerade in dieser Stilistik. Das Songwritinggespür der Truppe hat sich über Jahre weiterentwickelt und ist nunmehr obenauf mit vielem, was eine Menge mehr medienwirksamen Rabatz veranstaltet und häufig unverständlicherweise die Massen anzieht. Für eine Truppe vom Format DRITTE WAHL fehlt SICK OF SOCIETY wohl noch der (bewusste?) Feinschliff; ansonsten sind sie ein Muss für all die Sicherheitsnadeln unserer Fußgängerzonen.

FAZIT: SICK OF SOCIETY sind eine der führenden Adressen der Republik geworden, wenn es um hartkernigen wie melodischen Punkrock geht. Ihre DVD besticht durch soliden Sound, gutes Bild und die schiere Masse an Inhalt, während die begleitende CD ebenfalls eine prächtige Nabelschau abgibt ... aber nicht zu nahe mit der Nase heran, denn das Loch könnte ungewaschen sein.

Punkte: 11/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.12.2010

Tracklist

  1. DVD:
  2. Intro
  3. Feels Like Yesterday
  4. War In The Name Of Freedom
  5. Alles Scheiße
  6. Raise Your Voice
  7. In The Drain
  8. Wohnzimmer
  9. Deadlife
  10. It's Me
  11. The Poet
  12. Punk Hütte
  13. It's A Monster
  14. Oppressed
  15. Sick Of...
  16. !None Punk!
  17. On The Road
  18. Porn n' Roll Forever
  19. Pornofied
  20. The Gap
  21. The Wall
  22. Probe
  23. Jesus, God & I
  24. Nothing Is Free
  25. You Will Bring Me In The Grave
  26. The Missing Link
  27. 16 Jahre SOS
  28. Rules/Dead
  29. Tribute To E.
  30. Ooh Ooh Showering
  31. Weekend Anarchist
  32. You Are Nothing
  33. Bonus:
  34. The Wall
  35. Weekend Anarchist
  36. Raise Your Voice
  37. Live Rock die Heide Open Air 2009
  38. Live Umsonst und Draussen Open Air 2009
  39. Meet And Greet Outtakes und Kaos
  40. CD:
  41. Feels Like Yesterday
  42. War In The Name Of Freedom
  43. Alles Scheiße
  44. Raise Your Voice
  45. In the Drain
  46. Deadlife
  47. It's Me
  48. The Poet
  49. It's A Monster
  50. Oppressed
  51. Sick Of ...
  52. !None Punk!
  53. Porn n' Roll Forever
  54. Pornofied
  55. The Gap
  56. The Wall
  57. Jesus, God & I
  58. Nothing Is Free
  59. You Will Bring Me in the Grave
  60. The Missing Link
  61. Rules / Dead
  62. Tribute To E.
  63. Ooh Ooh Showering
  64. Weekend Anarchist
  65. You Are Nothing

Besetzung

  • Bass

    Steini

  • Gesang

    Fitzi, Steini

  • Gitarre

    Fitzi

  • Schlagzeug

    Oliver

Sonstiges

  • Label

    Eigentvertrieb

  • Spieldauer

    ca. 84:00; CD 42:22

  • Erscheinungsdatum

    26.11.2010

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