Ja, die stilistische Ausrichtung des schwedischen Quartetts wird bei so manchem unserer Leser spontan Ekelherpes hervorrufen („Was hat so etwas denn hier zu suchen?“), doch diese Leute sind selbst schuld, wenn sie dadurch gute Scheiben aus anderen Genres verpassen. Im Falle von ALICE IN VIDEOLAND wäre das ein elf Tracks starkes Album, das in etwa so tönt, als hätten APOPTYGMA BERZERK in ihrer technoiden Phase, CLIENT (wenn man deren Indie-Spirit subtrahieren würde), ein paar melodische EBM- und Future-Pop-Bands, einige Synthie-Pop-Kapellen der Achtziger, LORDS OF ACID light, die YEAH YEAH YEAHS und THE SOUNDS sich zusammen gesetzt und gemeinsam ein Album ausgeheckt und in der Pause ab und zu mal alte Computerspiele aus der 8- und 16-Bit-Ära gedaddelt.
In erster Linie ist „A Million Thoughts And They‘re All About You“ also gnadenlos poppig, und auch die Stimme von Frontfrau Toril könnte locker auch im Mainstream-Radiopop funktionieren, doch die an sich eingängige, sehr tanzbare Grundformel wird immer wieder durch punkige Attitüde, clubtaugliche Electro-/EBM-Elemente („Take Me With You), Sounds ähnlich denen der Achtziger- und Frühneunziger-Games („Buffalo Stance“) sowie allerlei verspielter Kleinigkeiten abstrahiert. Bei der Auswahl der Electrosounds sind ALICE IN VIDEOLAND nicht gerade Meister der Innovation, doch dank der schlüssigen, straffen Kompositionen und der gelungenen Symbiose zwischen Eingängigkeit und gewagter kompositorischer Ideen rückt dieses „Manko“ sogar von den Reihen der sekundären Qualitätsmerkmale noch weiter in den Hintergrund und ist somit völlig irrelevant.
Interessant bei diesem skandinavischen gemischten Vierer ist die Art und Weise, wie die Fühler gleichermaßen gen futuristisches Terrain wie auch gen Vergangenheit ausgestreckt werden und daraus ein zeitloses viertes Album gewoben haben, das sowohl zum Zappeln als auch zum konzentrierten Hinhören prima geeignet.
FAZIT: ALICE IN VIDEOLAND beweisen, dass Pop nicht platt sein muss. Man kann trotz aller Catchiness seine berühmten Ecken und Kanten behalten, und diese Reibungen zwischen der teilweise fast kühl-sterilen Elektronik und den zahlreichen warmen, charmanten Synthie- und Gesamgsmelodien sind ein Effekt, der zusätzliche Spannung hervorbringt.
Punkte: 10/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.04.2011
Johan Dahlbom
Toril Lindqvist
Martin Kenzo
Anders Alexander
Anders Alexander
ArtOfFact Records
37:24
29.04.2011