Obwohl COMEDY OF ERRORS bereits 1984 gegründet wurden und im weiteren Verlauf der 80er Kultstatus für sich beanspruchten, ist „Disobey“ das Langspiel-Debüt der Schotten. Es gab zwar bereits 1988 ein namenloses Album, doch das wurde vom MSI-Label aus Demotapes und einem Minialbum zusammengestückelt und litt zudem unter seinem gruseligen Sound. Als Zeitzeugnis ein gesuchtes und mittlerweile recht kostspieliges Stück Musik. Zu Beginn der 90er, nach mehreren Besetzungswechseln, verschwand die Band in der Versenkung und ward nicht mehr gesehen. Bis 2011.
Mit „Disobey“, und immerhin drei Mitgliedern aus den frühen Jahren – u.a. dem zwischenzeitlich ausgetauschten Sänger Joe Cairney – an Bord, melden sich COMEDY OF ERRORS wieder zurück. Und entpuppen sich im Presse-Info als wahre Scherzkekse: „new but not neo […] Floyd meets Muse in the Court of the Gentle Giant ?“
Das Fragezeichen ist definitiv berechtigt. Denn natürlich ist „Disobey“ in erster Linie ein Kind des Neoprogs. Und zeigt gleichzeitig wie dürftig diese Bezeichnung ist; denn „neu“ und „progressiv“ ist hier gar nichts. Stattdessen ist „Disobey“ ein Werk, das PENDRAGON gut zu Gesicht gestanden hätte – vor etwa 15 Jahren. Oder eher noch einer Band aus der zweiten, dritten Reihe, wie RED SAND oder den vielerorts im Zusammenhang mit diesem Album genannten M!NDGAMES. Wobei Namen eigentlich egal sind.
COMEDY OF ERRORS spielen die melodienselige, symphonische Variante des neoprogressiven Rocks. Manchmal garniert mit ein bisschen Härte. Hier schneiden die Gitarren zwar nicht wirklich, aber ein bisschen zwicken tun sie schon. Natürlich werden diese eruptiven Momente aufgefangen von voluminöser Tastenarbeit. Da lässt sich die Band nicht lumpen. Filigrane Cembalo-Klänge, schnuckelige, klassizistische Pianoläufe, weit gewobene Streicherflächen, satte Orgeln, selbst schnippische 80er-Jahre-Synthies – hier wird fast alles aufgefahren, was das Arsenal zu bieten hat.
Crimsonesk schräg oder polyphon verstiegen wie bei den sanften Riesen wird es nie. Gleichzeitig wird aber auch vermieden akribisch in GENESIS‘ Fußspuren herumzustapfen. Eher weicht die Band schon mal ins seichte Gewässer melodischen Rocks aus. Glücklicherweise nur kurz und beiläufig wie im Refrain von „Could Have Been Yesterday“. Sänger Joe Cairney ist einer der besseren Sorte, er klingt wie ein etwas rauerer Steve Hogarth; nicht uncharmant. Für meinen Geschmack wurde er aber etwas zu weit in den Vordergrund gemischt.
Der nahezu obligatorische Longtrack heißt hier „The Student Prince“, kommt zum Schluss und besteht aus vier Teilen. Woraus man fast selbstredend schließen kann, dass die umfassende Dramaturgie eine nicht ganz so zwingende ist. Aber es gibt weit zusammenhangloseres als diese Tetralogie fetzenden Schmachts.
FAZIT: Man kann einiges gegen COMEDY OF ERRORS spätgeborenes Erstlingswerk einwenden. Überraschungsarme Musik, die bekannte Klischees aufwärmt, neu abmischt und vorm geneigten Publikum im Breitwandformat aufführt. Das allerdings sehr gekonnt.
Es ist wie mit Zuckerwatte: Eigentlich ist dieses klebrigsüße Zeug, das beim ersten Lippenkontakt schmilzt und keinerlei Nährwert besitzt, völlig überflüssig. Aber manchmal ist es genau das, was man braucht. Oder man ist zufällig auf dem Rummel und möchte sich an die Flüchtigkeit vergangener Augenblicke des Genusses erinnern. Dann gibt es kaum etwas Besseres. Dass einem nach übermäßigem Verzehr schlecht wird, ist aber nicht auszuschließen.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.07.2011
Mark Spalding, Hew Montgomery (9, Pt. 1)
Joe Cairney, Jim Johnston (bv), Mark Spalding (bv)
Mark Spalding, Jim Johnston
Jim Johnston
Bruce Levick
Comedyoferrors/Just For Kicks
68:29
17.06.2011