Ist es eigentlich so etwas wie ein universales Gesetz, dass jede Band, die von sich behauptet, erwachsen geworden zu sein, plötzlich vollkommen ecken- und kantenlos wird? Sind Seichtheit und Konturlosigkeit die Vollendung? Ist das, was im Radio läuft, der letzte Schritt in der musikalischen Evolutionskette? Ist es das, wonach ein Musiker streben sollte?
Noch mal zur Erinnerung: Die GUANO APES haben immer den Mut gehabt, sich zum Affen zu machen und ihrem Namen damit alle Ehre zu erweisen. Dass man dabei auch mal zu weit ging, gehörte einfach dazu; jenseits von Michael-Mittermeier-Kollaborationen kam es aber durchaus auch mal zu anständigen Lucky Shots, die neben ihren prägnanten Riffs vor allem Sandra Nasics ungeschliffene Rockröhre als Joker in der Hand hatten. Das nunmehr schon 14 Jahre alte "Open Your Eyes" geistert immer noch, willkommen oder nicht, durch unsere Köpfe. Jetzt das Comeback nach acht Jahren ohne neues Album.
Ob das so eine gute Idee war?
Sicher, wo "Proud Like A God" und "Don't Give Me Names" eine Einheit bildeten, orientiert sich "Bel Air" nun stilistisch an dem Vorgänger. Schon "Walking On A Thin Line" suchte den Glamour als Thema. Wo die Apes ihn aber 2003 noch ironisch brachen und mit ihrer wilden Schlagseite konterkarierten, da scheint "Bel Air" ihn fast ernst zu meinen.
Machen wir es kurz. Das einzige, was hängen bleibt, ist ein ewig gleich pumpender Humpa-Humpa-Beat, der sämtliche Songs in unwesentlichen Variationen untermalt. Vielleicht fressen sich noch die Techno- und Trance-Einsprengsel, die einige Stücke bewohnen ("She's A Killer"), ins zermarterte Hirn, weil sie so grausige Assoziationen zum letzten Experiment von LINKIN PARK erzeugen. Was aber ist mit den Riffs, diese komischen Dinger da, die einstmals zum Abgehen beitrugen? Die verstecken sich vor dem suchenden Ohr wie ein schüchterner Schüler im Klassenzimmer vor der Fragestellung. Nasic hingegen versteckt sich keineswegs, kann aber in all der neu hinzugewonnenen Reife und mit dem verfeinerten Repertoire nicht den Reiz rekonstruieren, den ihr brüchigeres, experimentelleres Alter Ego von früher ausübte. Und haut dann doch mal ein Song aus der Kerbe ("Trust"), klingt er seltsam aufgesetzt – als erinnere man sich spontan an die Vergangenheit ("Da war doch mal was") und versuche, die vage Erinnerung zu instrumentieren.
Fazit: Eine weitere Band, der in der großen, weiten Pop-Irrenanstalt jegliche Identität aus dem Leib geprügelt worden ist. Wie ein Komapatient, der aufgewacht ist, ohne sich daran zu erinnern, wer er ist und wo er ist: Die GUANO APES sind in Wirklichkeit niemals zurückgekehrt.
Punkte: 4/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.04.2011
Stefan Ude
Sandra Nasic
Henning Rümenapp
Dennis Poschwatta
Sony Music
39:41
01.04.2011