Guðrið Hansdóttir, die faröische Sängerin des Jahres 2007, ist nach ihrem Album des Jahres 2010 „The Sky Is Opening“ mit einem neuen, sehr klangvollen Achtungszeichen zurück, das sogar den ausgezeichneten Vorgänger noch übertrifft.
Wenn „The Sky Is Opening“ (2010) so eine Art Sommer- oder Herbst-Album war, dann ist, nicht nur vom Namen her, „Beyond The Grey“ (2011) ein Winter-Album geworden, ideal passend in diese Jahreszeit, die einerseits ein wenig von der vorweihnachtlichen Vorfreude und andererseits von den immer grauer, kühler und kürzer werdenden Tagen geprägt ist.
Etwas ganz Ähnliches hatte ich übrigens gerade zu einem Album der finnischen Band HI-LO & IN BETWEEN geschrieben. Doch hier bestimmten der Kontrabass und die männliche Stimme das musikalische Geschehen.
Bei Guðrið Hansdóttir sind die wichtigsten Elemente offensichtlich die unglaublich flexible Frauenstimme, auf die locker solche Attribute wie himmlisch, geheimnisvoll, mystisch, glockenhell oder hypnotisierend zutreffen, und die zarten Einsätze der unterschiedlichsten akustischen Gitarren. Ähnlich atmosphärische Musik habe ich bisher nur auf den wundervollen Alben „Water Bearer“ (1978) und „Mirror“ (1987) von SALLY OLDFIELD gehört, welche mich ebenso in ihren „überirdischen“ Bann zog und gänzlich genauso geheimnisvoll wie die Musik ihres Bruders MIKE war, der sie oftmals bei ihren Alben an der akustischen Gitarre unterstützte, während Sally ihn im Gegenzug bei „Incantations“ zur Seite stand. Gleiches könnte man auch bei „Beyond The Grey“ vermuten – aber wie man das Booklet samt tollem Digi-Pack auch dreht und wendet, nirgends ist ein MIKE OLDFIELD zu entdecken, dafür aber jede Menge „Incantations“ und viele der von ihm gespielten Instrumente: akustische und elektrische Gitarren, Mandoline, Banjo, Double Bass, E-Bass, Orgeln, Mellotron, Akkordzither, Harmonium, Theremin usw. usf.
Bereits „Meditations On Salt“, der Opener von „Beyond The Grey“, nimmt den Hörer sofort gefangen. Ohne jegliche musikalische Unterstützung setzt Hansdóttirs Stimme ein, erst dann folgen ihr stehenden Fußes eine akustische Gitarre, ein Bass, unterschiedliche Percussion-Instrumente und als Höhepunkt wird verschiedenen Flöten ein ausgiebiger Spielraum eröffnet. Wer nach solch einem Song Guðrið Hansdóttir nicht verfällt, dem ist einfach nicht mehr zu helfen!
Auf „Beyond The Grey“ macht die Sängerin von den Faröer Inseln, die mit der Plattensammlung ihres Musiker-Vaters, von KATE BUSH über DOLLY PARTON und JIMI HENDRIX bis hin zu JETHRO TULL groß geworden ist, alles richtig. Nicht nur dass es jede Menge Bezugspunkte zu besagten Platten gibt, sondern dass sie auch endlich mehr Wert auf die Texte legt. RANDI WARD zeigt sich dafür verantwortlich und entwirft größtenteils kleine hymnische Epen, die sich um die Faszination und Schönheit der Natur drehen und der Musik regelrecht auf den Leib geschrieben sind!
„Beyond The Grey“ klingt wie der musikalisch Freiflug mit einem Paraglider über die Faröer Inseln.
Gibt’s was Schöneres?
Ich glaube nicht!
Und wenn dann auf „A Faroese Fisherman Speaks Of Drowning“ auch noch eine tiefe männliche Stimme diesen Song regelrecht grundiert, dann ertrinken wir gemeinsam mit diesem Fischer nicht im Meer, sondern in der Tiefe der schaurig-schönen Töne.
FAZIT: Nicht ganz zu Unrecht sorgt momentan die kanadische Sängerin FEIST mit ihrem neusten Album „Metal“ für einige positive Aufregung. „Beyond The Grey“ von Guðrið Hansdóttir ist dagegen noch viel, viel aufregender, weil es sich beim Hören zärtlich in den Gehörgängen einschmeichelt, während draußen der Frost seine ersten Eisblumen an die Fensterscheiben malt! Wunderschön!
Punkte: 14/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 16.11.2011
Mikael Blak
Gudrid Hansdottir
Gudrid Hansdottir, Mikael Blak, Benjamin Petersen
Mikael Blak
Derek Murphy
Recorder, Autoharp, Harmonium, Theremin, Banjo, Mandolin, Percussion; Backing Vocals: Hanus G. Johansen "A Faroese Fisherman Speaks Of Drowning" - Rebekka Petersen "Time Will Tell", "I Mjorka", "Lovelorn" & "Morgun I Mars" - Bjarki Hansen "Chaindance"
Beste! Unterhaltung
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08.07.2011