Lustig, dass KORN jetzt von Pfaden sprechen, wo sie ihren eigenen doch schon seit Jahren verzweifelt suchen. Jüngst kamen sie an einer Zeitmaschine vorbei, stiegen kurz entschlossen ein und wurden auf ein Ölfeld in Bakersfield gesprudelt. Da war man wieder am alten Ort, der sich aus Angst und Wut nährt, doch leider war man nicht gemeinsam mit dem Ort verjüngt worden. Danke für den Versuch, aber irgendwie ist das nicht mehr das Gleiche. Ergo: Nun doch wieder nach vorne anstatt zurück?
Die Kurskorrektur führt uns wieder zu der wirren Vorstellung, die den Platten vor „Remember Who You Are“ anhaftete: Experimentelles schuldet KORN dem Lande! Daher weht dann auch die als neu, aufregend und endgültig angepriesene Melange aus Nu Metal und Dubstep. SKRILLREX, NOISIA, EXCISION und die anderen Gäste wird’s freuen – Dubstep steht jetzt kurz im Rampenlicht und darf Platten verkaufen.
Aber wem muss man noch erzählen, dass das so neu und aufregend alles gar nicht ist? Als vom Bass gepeitschter Gaul sind KORN von Natur aus kompatibel mit dem noch recht jungen Elektronikfach, das nah am Wummern und Wabern gebaut ist und dazu noch offen für Genre-Kupplungen – der Bonus Point für Wagemut fällt damit schon mal weg.
Auf Platte gebannt entbehrt das Naheliegende dann schnell an Reiz, denn so fett die Special Effects im Vorzeiger „Narcissistic Cannibal“ auch wuppen mögen, dem organischen Slapping von Fieldys 5-Saiter, der gnadenlos untergeht, reicht es im Leben nicht das Wasser. So wird die vermeintlich exotische Zutat zum verschlimmbessernden Ersatz für etwas, das vorher ohnehin schon da war. Das macht den Klang der Platte hohl und leer wie einen Roland-Emmerich-Film aus den 00er Jahren.
Auch deswegen, weil das Songwriting sich im Schutze der Dubstep-Ablenkung mächtig die Eier schaukelt. „Narcissistic Cannibal“ und „Get Up!“ mögen noch am meisten krachen, aber selbst die wiegeln sich bequem in einfallslosen Strophe-Bridge-Refrain-Allzweckmustern, wenn man mal alles Elektronische ausklammert. Zu allem Überfluss klingen Jonathan Davis’ Gesangslinien wie schon hundertmal zuvor gehört – seit „Issues“ ohne jedweden Fortschritt. Da lobt man sich ja sogar die wenigstens um Abgefucktheit bemühte Performance auf dem Vorgänger.
Der Rest ersäuft im Midtempo-Treibsand, der durchgängig von elektrischem Knistern begleitet wird, so oder so aber auf Dauer zum Unterplörrespaziergang einlädt. Nicht, dass die Mixtur komplett ungenießbar wäre, sie ist nur einfach belanglos bis zum Erbrechen und angesichts dessen, was KORN mal waren, ein Umherirren, das einen die Vorhänge zuziehen lassen möchte. Die „Special Edition“ verlängert das geistlose Geriesel um zwei Stücke, die qualitativ weder ab- noch auffallen; immerhin hört man Davis in „Tension“ aber noch mal Buchstaben verhackstücken. Lohnenswert wird es dann durch die „The Encounter“-Bonus-DVD, die das Konzert im Kornkreis enthält und allerlei Klassiker von „Shoots And Ladders“ bis „Falling Away From Me“ an Bord hat.
FAZIT: Retro-KORN gefallen nicht, Neo-KORN noch weniger – vielleicht sollten die Bandmitglieder getrennte Wege gehen. Man wünscht ihnen allen neue Impulse, die dann auch mal funktionieren. KORN scheinen das einfach nicht mehr herzugeben.
Punkte: 5/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.12.2011
Reginald "Fieldy" Arvizu
Jonathan Davis
James "Munky" Shaffer, Reginald "Fieldy" Arvizu
Ray Luzier
Jonathan Davis (Bagpipes)
Roadrunner Records
44:37 (CD) + 112:39 (DVD)
02.12.2011