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Kreftich: Bis hierhin und dann weiter

Stil: Deutschrock / Punk

Cover: Kreftich: Bis hierhin und dann weiter

KREFTICH spielen sich beim Schreiber sogleich aus der Unbekanntheit ins Herz: Deutschpunk 2011 muss weder mit alten Parolen oder Pop-Geschrubbe zu tun haben, noch sollte man dessen Dinslakener Vertreter mit deutschtümelnden Nervensägen vor dem Grab ihrer kollektiven Onkel gleichsetzen …

Ska ist ein vernachlässigbarer Bestandteil der Gruppe, zu hören etwa in "Immer wieder", einer positiven Hymne, die dem oftmals bis zur Unerträglichkeit, weil einseitig fröhlichen Bläser-Punk eine Absage erteilt. Lasses Bass nimmt gelegentlich eine dominante Rolle ein, beispielsweise in "Von innen" ("…sind wir frei, denn die Gedanken lassen sich nicht kontrollieren." ). Drummer Flo ist auch kein schnöder Uffta-Klopper und hämmert die Tracks sehr variabel zu. Dieser überdurchschnittlichen Musikalität steht auch der gelegentliche Orgeleinsatz gut, nachzuhören in "Therapie".

Nicht alltäglich mutete zudem der lyrische Ansatz von "Antiprominent" an: Wirgefühl kontra Berühmtheit und Selbstoffenbarung im Internet - sehr sympathisch, sehr überzeugend dargeboten, auch und gerade musikalisch mit ordentlich Speed und wiederum bauchigem Bass. Auch "Undumuns" steht dem Alleinsein entgegen, was der Doppelgesang ebenso treffend ausdrückt wie das vitale Spiel des Trios. "Durch diese Welt" schwankt zwischen Resignation und Aufbegehren, weshalb man es durchaus mit dem Besten von BAD RELIGION gleichsetzen kann. Für das forsche wie feist riffende "Wohin" gilt dies umso mehr, während "Rien ne va plus" gitarrentechnisch auf einen Metal-Hintergrund von Schrubber Hagi verweist.

"Ungebremst" klingt kaum so, wie der Titel andeutet, sondern mit am wenigsten vorhersehbar auf "Bis hierhin und dann weiter". Den Albumtitel sollte man sich bisweilen ebenso vorsagen wie den Text dieses Stückes, bei dem die Jungs mit Alex Horschig einen Gastsänger granteln lassen. Auch für "Was du nicht willst" gilt: Reinlesen und begeistert zuhören, wie die Maschinerie sich die Bälle zuspielt. KREFTICH sollten, wenn es mit rechten Dingen zuginge, auf der ganzen Punk-Welt für Furore sorgen, weil sie inhaltlich wie musikalisch wirklich Standards setzen. Letzteres darf man vor allem auf die regelrecht verspielten "Umweg" und "Ich weiß es nicht" münzen. Nach etwas Leerlauf gibt es noch einen Bonustrack, der den vorigen in keinerlei Hinsicht nachsteht ("und ich kriege die Gedanken nicht in Schwung").

FAZIT: KREFTICH begeistern mit facettenreichem Punk, spielen durchweg unvorhersehbar auf und texten auch in diesem Sinn. Wer wissen möchte, wie diese Musik scheuklappen- und ideologiefrei klingt, ohne an Relevanz zu verlieren, muss diese Scheibe haben!

Punkte: 12/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.08.2011

Tracklist

  1. Antiprominent
  2. Undumuns
  3. Durch diese Welt
  4. Wohin
  5. Rien ne va plus
  6. Immer wieder
  7. Von innen
  8. Therapie
  9. Ungebremst
  10. Was du nicht willst
  11. Umweg
  12. Ich weiß es nicht

Besetzung

  • Bass

    Lasse

  • Gesang

    Flo, Hagi, Lasse

  • Gitarre

    Hagi

  • Keys

    Flo

  • Schlagzeug

    Flo

  • Sonstiges

    Flo (sax)

Sonstiges

  • Label

    SN-Punx / New Music Distribution

  • Spieldauer

    50:24

  • Erscheinungsdatum

    26.08.2011

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