Diese DVD stellt eine Ausnahme in der Rockpalast-Reihe dar, da sie 2010 mitgeschnitten wurde und bislang unveröffentlich war. Wer die Mannen nicht kennt: Die MILLER ANDERSON BAND spielt urbanen Blues mit Orgelschmand und teilweise Rasierverbot (Kris Gray von EDGAR BROUGHTON). Sie steht der neuen Generation der Blues-Gilde genauso nahe wie den ganz, ganz alten Meistern, da sie sich in dieser Konstellation erst seit 2008 existierend aus jungen wie erfahrenen Hasen zusammensetzt. Bereits die Instrumentenwahl (nix Analogtasten und gegenüber ein Kubicki-Bass) zeugt davon, dass der Betrachter es hier nicht mit gänzlich Hängengebliebenen zu tun hat.
Dabei hat der Kopf bereits auf der Woodstock-Bühne gestanden, und zwar mit der KEEF HARTLEY BAND, der man beispielsweise mit "Sinnin' For You" Rechnung trägt. Als einstweiliger Sideman von Ex-Purpurschnecke Jon Lord weiß ANDERSON um die Reize der Hammond und setzt sie ergiebig ein. "Sinnin' For You" ist Classic Rock mit zwischendurch nur noch marginalen Blues-Bezügen, wenngleich der Chef sein Steckenpferd natürlich nicht aus der Hand gibt; dafür stehen allein schon die selbstredenden "Boogie Brothers" beziehungsweise das stockkonservative "I Love To Boogie". Ersteres nimmt allerdings Ausmaße an Schwere an, die sich durchaus mit gediegenem Hardrock messen lassen. Angenehm fällt zudem die Kompaktheit des Sets auf; Jam-Band-Redundanz darf man anderswo erwarten. Die mainstreamigen "High Tide And High Water" und "Fallin' Back Into The Blue" bilden das sachte Ende des ANDERSONschen Spektrums, doch dafür knacken "Thin It Over" und die countryeske Heimathymne "Houston" umso mehr.
Als Bonus gibt es noch ein Interview zu begaffen sowie ab "Leavin' Trunk" - wie "Little Man Dancing" ein weiteres HARTLEY-Lied - an unterschiedlichen Orten Mitgefilmtes. Und "Spoonful" … klar, muss man nicht weiter vorstellen. Die Bild- und Tonqualität ist angesichts der Aktualität des Materials über jeden Zweifel erhaben.
FAZIT: Veteran MILLER ANDERSON überzeugt auf dieser DVD mit Frische im klassisch bluesrockigen Kontext und erinnert daran, dass die Institution Rockpalast sich nicht auf alten Lorbeeren ausruhen muss, wenn sie nach wie vor solche Performances für die Nachwelt konserviert.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 03.03.2011
Kris Gray
Miller Anderson
Miller Anderson
Frank Tischer
Tommy Fischer
MIG (Made In Germany) Music
60:47
25.02.2011