“The Book?” ist eine Wundertüte der besonderen Art. Die von <a href="http://www.musikreviews.de/mitarbeiter/19/Thoralf-Ko---Chefredakteur/" target="_blank" rel="nofollow">Thoralf Koß</a> (regelmäßigen Lesern dieser Seite und der BBS als unser Chefredakteur bekannt) verfasste Geschichte über eine schmerzhafte Selbstfindung im Angesicht eines übermächtigen Gottes (und ein paar seiner allzu menschlichen Vasallen im Hintergrund) bildet die Grundlage für ein Album, dass die leidvolle Sinnsuche des Protagonisten Samuel ernsthaft umsetzt, ohne je an Überladenheit oder Pathos zu kränkeln.
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Dezenter Death-Metal (zumindest in kurzen Einschüben bei „The Crying Child“), Jazz, Funk finden Einzug in den stilsicheren Progressiven Rock der Band. Auf einem symphonischen Fundament, das fragil und nicht breiig angelegt ist, türmen sich satte Keyboardsounds; attackierende Gitarren und die wuchtige Rhythmussektion spendieren eine gesunde Portion Härte, die Gesangsleistungen sind meist exzellent und passen sich den jeweiligen Rollen an - glücklicherweise weit abseits vom Kitsch landläufiger Musicals. Als besondere Kleinode erweisen sich die Saxophon-Einsätze Marek Arnolds. Nicht nur sie machen aus „The? Book“ ein ebenso melodien- wie abwechslungsreiches Werk.
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Dabei vermeiden SEVEN STEPS TO THE GREEN DOOR jede selbstverliebte Zurschaustellung technischer Fertigkeiten. Man merkt dem Album die Fokussierung auf seine Geschichte an (verhungernde Kinder, politische Unterdrückung, Sterbehilfe, Umweltschändung und die mögliche Rolle Gottes in diesem Fiasko), und sieht Wut und Nachdenklichkeit in Musik und Text gebündelt. So entsteht gar nicht die Gefahr musikalischer Beliebigkeit sowie in verklärter Nostalgie zu schwelgen.
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„The? Book“ zeigt auch, dass das Konzept „Konzeptalbum“ noch nicht ausgedient hat und Progressiver Rock, der seine Wurzeln in der Vergangenheit hat, so zeitlos wie aktuell sein kann. Ohne dass Ritter, Dämonen, Joker und Einhörner den Weg weisen müssen.
Das FAZIT ist diesmal einfach: Das beste (Retro)-Progressive-Album des Jahres (ohne Kollegenbonus). Melodiös, aber nie platt, vielfältig, ohne unstrukturiert zu wirken, sanft und ungestüm zugleich, getragen von einer durchdachten Story, die thematisiert, was anscheinend einer Menge Menschen derzeit auf der Seele brennt. Vor allem, wenn man in Betracht zieht, wie viele Autoren und Musiker sich gerade mit den Fragen beschäftigen, die Religion und Ethik Tag für Tag aufwerfen. Je dunkler die Zeiten, desto größer anscheinend die Sehnsucht nach einer spirituellen Erleuchtung. Und umso größer die Enttäuschung, wenn man merkt, dass Glaube allein nicht hilft. Seine grüne Tür muss jeder für sich selbst finden.
Selbst wenn es mit IRON MAIDEN heißen könnte: „Behind My Green Door There Is Nothing To See.“ Vielleicht wartet aber auch Marilyn Chambers dort, die 1972 „Behind The Green Door“, ohne ein Wort zu sagen, Filmgeschichte schrieb und leider seit 2009 für immer verstummt ist.
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Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.10.2011
Heiko Rehm, Robert Brenner
Lars Köhler, Anne Trautmann, Amelie Hofmann (Crying Child), Kim Spillner (Death), Ronnie Gruber (Death), Larrie B. (Old Priest), Steven Powlesland (Prayer), Sjaella (Last Hope), Martin Schnella (bv)
Andreas Gemeinhardt, Martin Schnella, Uwe Reinholz
Marek Arnold
Ulf Reinhardt
Marek Arnold, Thoralf Koss (story)
Progressive Promotion Records
63:21
30.09.2011