Kaum ein Genre im hart rockenden Segment spaltet die Fans so dermaßen wie Gothic Metal. Der geneigte Fan verteidigt seine Helden bis aufs letzte Tröpfen Krähenblut, alle andere haben kaum mehr als ein verächtliches und spöttisches Lächeln für die Heerscharen an dunkel gewandeten und zumeist klebrig-melancholisch tönenden Combos übrig.
Somit ist auch schon klar, dass auch „The Enigma Of Life“, das fünfte Album der norwegischen Institution SIRENIA um Bandleader Morten Veland, dieses Schicksal erleiden wird. Wer der Band zumindest in den letzten Jahren die Treue gehalten hat, wird sich die neue Scheibe zeitnah besorgen. Wer kein Fan ist, der dürfte schon beim Anschauen des Promo-Videos für den Album-Opener „The End Of It All“ (inklusive unsäglicher Klischee-Optik) nervöse Zuckungen bekommen.
Betrachten wir „The Enigma of Life“ mit den Augen eines Nicht-Die-Hard-Fans, lässt sich sagen, dass das zweite Album mit der Spanierin Ailyn am Mikrofon so klingt, als wäre es im Windkanal von Lamborghini so lange getestet und abgeschliffen worden, bis keine einzige Ecke und Kante mehr vorhanden ist. Der perfekte Luftwiderstandsbeiwert. Dann allerdings wurde der Motor rausgeschmissen und durch ein Aggregat von Nissan ersetzt. Um das zu kaschieren, durfte anschließend Victoria Beckham mal ganz kräftig Tüll und Spitze und jede Menge Glitzerzeugs von Prinzessin Lillifee drüber schmeißen, damit der Etikettenschwindel nicht gleich auffällt.
Will sagen: Nach Metal klingt hier fast gar nichts. Klar, ab und an gibt es ein paar Growls, wie das genreüblich ja gemacht wird. Über die meiste Zeit aber dominieren die glockenhellen Vocals von Ailyn, die einerseits zwar einfach nur schön sind, aber auf Dauer so eindimensional und emotionslos klingen, dass es fast schon weh tut. Dazu gesellen sich fette Keyboard- und Orchestersounds (gerne mal viel zu großzügig verteilt – mehr ist nicht immer mehr, lieber Morten Veland!), Männergesangsverein-Chöre, Pathos in Palettengröße, ganz, ganz große Emotionen, und der Flötenschlumpf darf auch mal ran . Die Gitarren halten sich dagegen zumeist dezent zurück, was bei dem weitgehend im Midtempo gehaltenen Songs oft nicht wirklich stört. Manches Mal aber könnte ein bisschen, ein klitzklitzekleines bisschen Dreck wirklich nicht schaden.
Der Fan wiederum wird sagen: Ja klar, stimmt alles. Na und? Klingt doch geil.
FAZIT: Nichts Neues im SIRENIA-Lager: Große Melodien, poppige Arrangements, bombastische Anmutung. Objektiv betrachtet ist „The Enigma Of Life“ bestens produziert und auch fachmännisch eingespielt. Subjektiv muss jeder für sich entscheiden, ob er diesen Zuckerflash mag oder nicht. Und da der Verfasser dieser Zeilen weder Fan noch Hasser dieser Band ist, gibt’s eine neutrale Note, die nach oben aufgerundet wird.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.01.2011
Ailyn
Morten Veland, Michael S. Krumins
Jonathan Perez
Nuclear Blast
54:36
21.01.2011