COLD IN BERLIN stammen, wie sollte es anders sein, aus … London. „And Yet“ ist das zweite Album der Formation, nach dem 2010er Debüt „Give Me Walls“. Die Jahre schreiten voran und der Blick geht … rückwärts.
Dorthin, wo Bela Lugosis Tod noch in der Disco abgefeiert wurde und SIOUXSIE AND THE BANSHEES eiskalt – und auf deutsch – ihr „Mittageisen“ forderten. Endzeit- traf auf Partystimmung und wurde in der Batcave ausgelebt, dunkel, bestenfalls illuminiert von Stroboskopgeflacker und UV-Licht, das die Beißerchen schön vampirmäßig strahlen ließ. Bravo, TV und Feuilleton radebrechten von „Grufties“, die unheimliche Zeremonien zu noch unheimlicherer Musik zwischen Mitternacht und Drei Uhr morgens auf dem Friedhof zelebrierten. Später einigte man sich auf Begriffe, die mit „Gothic“ in Verbindung zu bringen waren. Dessen Ursprünge noch weit früher lagen – fragen Sie SCREAMING LORD SUTCH oder die MONKS – auch wenn der Begriff namentlich zum ersten Mal um 1980, im Zusammenhang mit JOY DIVISION und BAUHAUS fiel.
2012 also treten COLD IN BERLIN das Erbe an. Jener Bands, die in den 80ern für den düsteren, morbiden Sound verantwortlich waren. Sängerin My geriert sich als Wiedergängerin SIOUXSIEs, während ihre Begleitband den BANSHEES nicht das Wasser reichen kann. Die Gitarren dröhnen wie dunnemals, durchpflügen sowohl heulend wie stoisch die Songs; es wird gejammert, gewütet, geschrien, dass es eine Wucht ist. Kieksender Stimmüberschlag zu hingerotzten Akkorden inklusive. Hier ist nichts originell oder erweiternd. Es werden Songs gespielt, die sich wie die Resteverwertung der frühen Jahre SIOUXSIEs und ihrer BANSHEES anhören. Ohne deren Mut zu Experimenten. Auf „And Yet“ wird kein Punksong geradezu avantgardistisch bis an die zehn Minuten Grenze gestreckt; das ganze musikalische Geschehen spielt sich auch in puncto Spiellänge in überschaubarem Rahmen ab.
FAZIT: Vade Retro Gothic Bastard! Anachronistische Erinnerung an die erste Zeit, in denen dunkel gewandete Kreaturen der Nacht die entsprechenden Discos unsicher machten. Leicht exaltiert, wenig originell, aber recht kompetent eingespielte Düstermucke. Als Fußnote zu SIOUXSIE & THE BANSHEES und dem Wirken der damaligen Kollegen ganz gelungen, mehr aber auch nicht.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 26.09.2012
Bozley
My
Adam
Alex
Candlelight Records
40:25
27.08.2012