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Ethereal Architect: Monolith

Stil: Progressive Metal

Cover: Ethereal Architect: Monolith

Es gibt sie noch, diese magischen Momente, die das Hören von Musik zu so unendlich viel mehr machen als zum reinen Konsum einer Ware, einer Freizeitbeschäftigung unter vielen. Ein solcher Moment erwischte den Rezensenten frontal und vollkommen unvermittelt, als der beste Kumpel „Monolith“, das zweite Album der Texas-Progster ETHEREAL ARCHITECT, in den Player schob. „Das ist ein echtes 10-Punkte-Album“, so seine Ankündigung. Was natürlich nicht auf die differenzierte musikreviews.de-Notenskala gemünzt war. Doch egal, das, was in der folgenden Stunde aus der Anlage kam, machte eines klar: Auf den musikalischen Geschmack seines bestens Kumpels sollte man sich verlassen können – und in diesem Fall kann man das auch zu 100 Prozent.

ETHEREAL ARCHITECT haben sich ihre ganz eigene Nische im Progressive Metal gesucht. Auf „Monolith“ finden sich jede Menge warmer Wohlfühl-Prog-Zitate á la SHADOW GALLERY, DREAM THEATER (selten!) oder SYMPHONY X, es wird aber auch kräftig an der powermetallischen Schraube gedreht, fließen dezente südamerikanische Einflüsse mit in den Sound ein, hin und wieder kommen auch Vergleiche mit ANACRUSIS in etwas gemäßigterer Gangart in den Sinn.

Wobei die genannten Bands als Vergleiche bei weitem nicht ausreichen. Denn das würde implizieren, dass ETHEREAL ARCHITECT keine eigene Note hätten und sich ausschließlich an bekannten Größen orientieren würden. Das ist natürlich grober Unsinn, denn es gibt gleich mehrere Dinge, die die Band so einmalig macht. Das ist zunächst und vor allen Dingen die – nein, keine Übertreibung! – sensationelle Gitarrenarbeit. Das, was David Glass da an den sechs Saiten abzieht, ist teilweise unfassbar, aber immer abwechslungsreich. Harmonien, die zentimeterdicke Gänsehaut produzieren, rasiermesserscharfe Riffs, gefühlvolle Soli, fette Powerchords. Alles innerhalb 30 Sekunden. Aber dabei nicht wild zusammengeschustert und allein dem Gitarristen-Ego dienend, sondern mit Sinn und Verstand, präzise und nachvollziehbar eingesetzt.

Dazu gesellt sich die Stimme von Adam Contreras, die erfreulicherweise sowohl einen großen Bogen um die typischen high-pitched vocals macht als auch die derzeit schwer angesagten Growls im Stall lässt. Der eine oder andere mag Contreras vielleicht ein wenig unspektakulär finden, doch der Sänger, der an Steven Wilson erinnert, passt perfekt zum Sound von ETHEREAL ARCHITECT. Außerdem: Selbst ein versierter Sänger wie James LaBrie hat es bei DREAM THEATER schwer, sich gegen die überragenden musikalischen Fähigkeiten seiner Mitstreiter in den Vordergrund zu singen.

Was ETHEREAL ARCHITECT ebenfalls auszeichnet, sind die Chöre. Die haben, was die Melodieführung angeht, im Progbereich einigermaßen Unikatstatus, klingen häufig ungewöhnlich, manches Mal nach dem ersten Eindruck ein wenig neben der Spur liegend, machen aber doch am Ende Sinn und beißen sich im Gehirn fest. Auch auf die Gefahr hin, dass der eine oder andere jetzt abgeschreckt wird: Die Art und Weise, wie hier mit Vokalharmonien gearbeitet wird, erinnert stellenweise an SUBWAY TO SALLY – wobei, ganz ruhig!, musikalisch natürlich überhaupt keine Parallelen zu den Mittelalterrockern vorhanden sind. Aber die Melodieführungen und die Stimmdopplungen könnten eben auch auf früheren STS-Alben stehen.

Einzelne Stücke aus den zehn Titel herauszuheben, wäre angesichts der durchweg brillanten Qualität fast schon ein Frevel, aber, nun gut, wir wollen mal nicht so sein: „Obsidian“ als atemlos zurücklassenden Mix aus rasantem Power Metal, nachvollziehbarem Prog Metal und heroischem Hymnenstoff á la VIRGIN STEELE, „Bardo Becoming“ als Double-Bass-Gewitter mit Harmony-Vocal-Overkill und das Melancholie-Monster „MacArthur Park“ (CD-only Bonustrack, Coverversion eines 60er-Jahre-Songs von Richard Harris) erfüllen auf jeden Fall alle Voraussetzungen zum Erreichen der vollen Punktzahl. Und auch der Rest des Songmaterials ist allenfalls minimal dahinter. Wobei, „Submission“ müsste man auch die „Perfekt“-Schublade einsortieren. Und „Oceans“. Und...

FAZIT: ETHEREAL ARCHITECT haben keinen Plattenvertrag. Das ist natürlich ein ganz, ganz schlechter Witz, erst recht, wenn man sich anschaut, welche Combos teilweise große Labels im Rücken haben. Aber gut, diese himmelschreiende Ungerechtigkeit kann ausgeglichen werden. „Monolith“ kann man direkt über die Band beziehen, bei CDBaby, Amazon oder iTunes ordern, sowohl in CD-Form als auch als Download. Egal, in welcher Form: Es lohnt sich!

Punkte: 14/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 10.05.2012

Tracklist

  1. Kalinago
  2. Mercury
  3. Obsidian
  4. Oceans
  5. Final Escape
  6. Revolutions
  7. Obscura
  8. Bardo Becoming
  9. Submission
  10. MacArthur Park (Bonus Track)

Besetzung

  • Bass

    Thad Stevens

  • Gesang

    Adam Contreras

  • Gitarre

    David Glass

  • Schlagzeug

    Jake Koenig

Sonstiges

  • Label

    Eigenproduktion/CDBaby

  • Spieldauer

    61:37

  • Erscheinungsdatum

    11.05.2012

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