Als FREEDOM CALL 1999 mit „Stairway To Fairyland“ wie aus dem Nichts auftauchten, konnten sie eine nicht unbeträchtliche Anzahl an Melodic-Metal-Fans auf ihre Seiten ziehen. Mit „Crystal Empire“ und „Eternity“, insbesondere aber mit mitreißenden Liveshows konnte man diesen Status noch ausbauen, doch seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts hat die Qualität der Studioalben der Happy Metaller deutlich nachgelassen. Immer wieder musste man sich fremdschämenderweise an den Kopf fassen angesichts schlumpfmetallischer Keyboard-Wände oder Intros in furchtbarstem Schulenglisch.
Vor dem siebten Studioalbum hatte Sänger Chris Bay die durchaus unterstützenswerte Vision, in die Produktion mehr Livefeeling einfließen zu lassen, alles ein wenig roher und rock’n’rolliger zu gestalten. Das ist dem Goldkehlchen gelungen – aber leider nur teilweise. Auf „Land Of The Crimson Dawn“ befinden sich so viele gute Stücke wie schon lange nicht mehr auf einem FREEDOM-CALL-Album. Aber auf der anderen Seite schaffen es die Süddeutschen auch dieses Mal wieder, dass man sich bei einigen Tracks fast schon schmerzerfüllt vor der heimischen Anlage windet.
Der kraftvolle Opener „Age Of The Phoenix“ weist all die klassischen FREEDOM-CALL-Trademarks auf, die Fans zu schätzen wissen: Durchgehender Double-Bass-Rhythmus, gediegene Gitarrenleads und ein hypereingängiger Refrain, serviert und verziert von einem Chris Bay in Bestform. Für das gelungene Grundgerüst des nachfolgenden „Rockstars“ könnte sich auch Kai Hansen interessieren, doch FREEDOM CALL schaffen es, das latent angriffslustige Liedchen mit windschiefen Shouts und einem furchtbaren Text komplett im Lokus zu versenken.
Und so geht es im Grunde genommen weiter: Es gibt etliche tolle Momente (das schleppende „Crimson Dawn“, das pfeilschnelle „Valley Of Kingdom“, das nicht minder zügige „Terra Liberty“, das gothige „Eternity“), die FREEDOM CALL in einer Form zeigen, die sie in den vergangenen Jahren oftmals vergeblich gesucht haben, konsequent die Vorgabe des Bandleaders umsetzend, roher und rockiger zu klingen, dabei aber immer noch auf die großen Chöre und zuckrige Melodien zurückzugreifen. Aber es gibt immer noch viel zu viele Momente, in denen man vor Scham im Boden versinken möchte. „66 Warriors“ („Worrior, ooh, worrior!“), „Hero On Video“ oder „Rockin’ Radio“ (die beiden letztgenannten Songs klingen exakt so, wie es der Titel verspricht) sind leider insbesondere textliche Totalausfälle. Schade eigentlich, denn ein Rocksong wie „Rockin’ Radio“ steht FREEDOM CALL durchaus gut zu Gesicht.
FAZIT: 14 Songs haben FREEDOM CALL auf „Land Of The Crimson Dawn“ verewigt – das ist gut gemeint, schließlich sind die Franken schon immer eine Band gewesen, die „value for money“ bietet. Doch in diesem Fall wäre weniger definitiv mehr gewesen. Die neun richtigen Songs – und Album Nummer sieben hätte durchaus Anspruch auf den Thron des besten Band-Albums anmelden können. So bleibt ein mehr als schaler Beigeschmack.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.02.2012
Samy Saemann
Chris Bay
Lars Rettkowitz, Chris Bay
Klaus Sperling
Steamhammer/SPV
63:10
24.02.2012