Der renommierte Bassklarinettist und Saxofonist SCHOEN hat sich zu diesem Projekt mit Carla Bleys Leib-Bassist STEVE SWALLOW zusammengeschlossen. Herausgekommen ist ein angesichts des Titels stimmiges Album der Gegensätze.
So benötigt das Sextett zu Beginn der einleitenden Suite satte acht Minuten, um sich vor beschaulicher Kulisse aufeinander einzupendeln. Das Klangbild ist erstaunlich luftig, ehe der erste Part von „Advanced Search In Vicious Cycles“ fast schon klassischen Euro-Jazz feilbietet, den vor allem das fiebrige Rhythmusspiel sowie natürlich SCHOENs Linien prägen. Teil zwei und drei geraten mit Percussion wieder umso pittoresker, bevor das Schlussstück – sinnigerweise „Extended Vocabulary“ betitelt – quasi als Reprise fungiert.
Explizit so ist auch das folgende „Haunted Hunter Reprise betitelt, das der Entspannungen des eröffnenden Zehnminüters Bar-jazzig tänzerisch Rechnung trägt. Hier wie in „Halle-Luje“ ragt Sandra Hempels Gitarrenspiel heraus, wohingegen sich SWALLOW auf dem gesamten Album recht weit zurückhält – das Team ist der Star. „Cro Magnon Goes Cochem City“ verfolgt die Mosel von der Pfalz bis nach Frankreich und bringt ein wunderschönes Basssolo zu Gehör, das die balladeske Stimmung von „Dear Miss Jones Letter“ sowie dem abschließenden „Unhidden Track“ vorwegnimmt.
Insgesamt ist „Agnostic Chant Book“ kein Genre-Querschläger, sondern ein die Grenzen des Jazz europäischer Lesart auslotendes Stück fabelhafter Musik geworden, das vor allem die tonangebende Gitarristin als emotional beeindruckende Adresse herausstellt. Was die beiden Bonustracks betrifft, ist man verdutzt, dass gar Jazz-Radioformate heute schon Songlängen stutzen. Läuft das dem ursprünglichen Ethos nicht zuwider? Nun ja, die Aufmachung des Albums allein verpflichtet faktisch schon zum Kauf. Gourmets werde nicht enttäuscht.
FAZIT: Das Sextett um JONAS SCHOEN gefällt mit diesem Album auch und gerade dem Freund ruhiger skandinavischer Jazzklänge, ist aber weniger materialhaft und mit Hinblick auf die Arrangements „konservativer“ ausgefallen, wobei das Ensemble nichtsdestoweniger einnehmend frische Melodien und Rhythmen verlautbart sowie gleichermaßen intim wie überschwänglich klingen kann. Für Jazzer mit Stauballergie ist „Agnostic Chant Book“ also Pflicht.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 22.01.2012
Pepe Berns, Steve Swallow
Sandra Hempel
Buggy Braune
Heinz Lichius, Robby Geerken
Jonas Schoen (Saxofon, Bassklarinette)
Schoener Höhren / NRW
77:30
27.01.2012