Soloalben von Bassisten sind entweder unerträgliches Abdrücken, Fahrstuhl-Jazzfunk oder Latin. JÜRGEN ATTIG hat sich – der Titel deutet es an – auf letzteres versteift. Dass der Deutsche gleichermaßen mit Schwergewichten wie Dave Weckl und Dennis Chambers, Roisin Murphy und Mousse T. gearbeitet hat, schlägt sich eher in Abgeklärtheit nieder als in schwer genießbarem Eklektizismus.
Dabei lässt ATTIG spielerisch die Korken Knallen, indes vor dem Hintergrund im besten Sinne smoother Muzak, die nicht jedermann auf unseren Seiten von Haus aus goutieren mag. Angefangen beim einladenden Titelsongs über das hypnotische und trommelschwere „White Viper Waltz“ deutet sich ein Parforceritt nicht nur durch Südamerika an. Afrika steht bei Rhythmusinstrumentalisten hoch im Kurs, wie hier „Sinomkhuseli Wethu“ aufzeigt, das man auch von jemandem wie Richard Bona erwarten könnte.
Mancher Track fällt cineastisch aus, etwa das sprechsingende „Da Wail“ mit interessanten Klangexperimenten (Mundharmonika?) oder die WEATHER-REPORT-Wiedergänger „Canarsie“ beziehungsweise „High Jock“ inklusive Timpani, bei denen der Protagonist einen Jaco Pastorius im Saubermann-Gewand abgibt. „Sempre“ hingegen ist eine Klavierballade mit wenig weiblichem Soulgesang, „Velvet Zone“ ein klassischer Broadway-Crooner mit vergleichsweise zurückhaltender Instrumentierung.
Die beiden letzten Tracks, vor allem „Cactus Pie“, stehen der kompositorischen Strahlkraft alter Größen in diesem Bereich in nichts nach. ATTIG stellt klar, dass er die Südhalbkugel nicht nur aus Interesse an der reizvollen Rhythmik abklappert, die sich von dort aus Bahn bricht, sondern aufrichtig begeistert von der Kultur ist. Was sich zu Beginn noch zu loungig ausmacht, stellt sich im weiteren Verlauf als tiefsinnige wie bunte Afro- bis Latin-Jazz-Scheibe heraus. Well done und ein kleiner Geheimtipp für Menschen, die „Black Market“ oder „Heavy Weather“ Tränen nachweinen.
FAZIT: „Aventureiro“ ist eine starke Scheibe insbesondere für Bassisten, die gute Arrangements schätzen, sowie Liebhaber des Schaffens von Joe Zawinul. Einiges, was JÜRGEN ATTIG hier verzapft, muss man ihm im Bereich Fusion auf solch natürliche Weise erst einmal nachmachen – prominente Gästeschar inklusive
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.03.2012
Columbia / Sony
50:11
23.03.2012