Ja, es kommt passenderweise kurz vorm 40. Geburtstag von KISS nach elfjähriger Sendepause, und „Monster“ ist ein für die Band starkes Album geworden, bei dem es für Fans der Band nichts zu bemängeln gibt – aber wir sollten dem Interessierten hier etwas zu Lesen bieten, was er nicht schon weiß oder erwartet, oder?
Stanleys „Hell Or Hallelujah“ (Fistraiser mit unverkennbarem Gene-Text) oder der schmissige Klatscher „Shout Mercy“, das Simmons' Handschrift allzu deutlich trägt, sind typische KISS-Standardkost, wohingegen „Eat Your Heart Out“, eine alleinige Komposition des Bassisten mit einem Gospel-Intro überrascht und die Cowbell klingeln lässt – Sleaze vom Feinsten also. „All For The Love Of Rock & Roll“ erweist sich nicht als plumpe Zitat-Ansammlung, wie man erwarten mag, sondern stünde auch Steven Tyler und Joe Perry trefflich, aber die brauchen für solche Geniestreiche ja des öfteren außenstehende Schreiber. Stanleys schweinisch hartes „Take Me Down Below“ stellt einen weiteren Farbtupfer dar, bei dem jedoch spätenstens im KISS-as-KISS-can-Chorus wieder alles beim Alten ist.
Die Stücke, zu denen Thayer beitrug, und das sind nicht wenige, gehören offenkundig zu den stärksten auf „Monster“: Das schwere „Wall Of Sound“ und das ähnlich gelagerte „The Devil Is Me“, aus dem eine junge Rhythmusgruppe (die ehemaligen Audiosklaven Tim Commerford und Brad Wilk kommen spontan in den Sinn) Reißer für den Twen-Rock-Konsens gezimmert hätte, sowie das treibende wie stampfende „Back To The Stone Age“ (grausiger Text angesichts des Alters der Herren) gehören dabei zu den Highlights der Scheibe. „Long Way Down“ und „Freak“ („fire“ und „desire“ funktionieren anscheinend auf ewig als Reime) verbindet Stanleys Pop-Appeal mit der abgeklärten Frische seines Nebenmannes. Dieser erweist sich mit „Outta This World“ auch als trefflicher Einzelkämpfer, der den beiden Kernmitgliedern einerseits aufmerksam zugeschaut hat, aber eine recht eigene Handschrift bewahrt, also Space-Ace nicht zwangsläufig nur imitiert (seie Solos sind dafür jedoch ebenso geil wie bei Frehley in Bestform).
Nach dem treibenden Finale „Last Chance“ verärgert nur noch der Gedanke an die Unsitte des vorenthaltenen iTunes-Bonustracks „Right Here Right Now“, für den man den Männern in ihrer immer noch zu dicken Hoden treten möchte.
FAZIT: Refrains für die Ewigkeit in jedem einzelnen Song, eine klasse Produktion und vermutlich bierernst genommene Texte auf dem Niveau 16-Jähriger – was möchte man mehr von KISS? Die zynischste aller Rockbands ist mit ihrem überzeichneten Image und der unverhohlen wirtschaftlichen Ausrichtung immer noch sympathischer als unaufrichtige Raffzähne wie gewisse eiserne Jungfrauen, die dazu noch intellektuell tun und dennoch plumpe Pub-Gänger bleiben.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.10.2012
Gene Simmons
Paul Stanley, Tommy Thayer, Gene Simmons
Paul Stanley, Tommy Thayer
Eric Singer
Universal
43:39
05.10.2012