Es ist immer wieder eine schöne Lebenserfahrung, wenn man erkennt, dass auch heutzutage noch ein paar „junge Buben“ den echten Blues haben, selbst wenn dabei manchmal der Grunge aus den ewigen musikalischen Jagdgründen des NIRVANAs um die Ecke blinzelt. Ebenso beachtenswert ist auch, dass diese urwüchsige Musikmixtur direkt auf einem, wie's scheint, Elch mit Knieproblemen dahergeritten kommt, auf dem drei zwanzigjährige Hannoveraner sitzen, die ihrer Leidenschaft für die 60er/70er Jahre genauso wie für modernere Blues-Rock-Klänge frönen.
Allerdings sollte sich der Hörer nicht vom Albumtitel „Soultravel“ in die Irre führen lassen, denn mit Soul hat diese Musik wirklich nichts zu tun – sondern sie ist eine „Reise für die Seele“, die am ehesten in den musikalischen Schlammschlachten der Woodstock-Ära ihr Ende findet als in der schwarzen Pop-Musik der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Wobei „Slow Jam“ durchaus auch als ein Soul-Song mit Blues-Erdung seine Berechtigung hätte. Doch gerade solche Titel, die nach einem furiosen „In The Rain“-Start, deutlich das Tempo runterfahren und recht gefällig wirken, sind die große Schwäche bei dieser Seelenreise.
Auch „Moose Blues“, eine Verbeugung vor solchen Musikern wie JOHN LEE HOOKER, B.B. KING oder ERIC CLAPTON, zeigt zwar die Bluesleidenschaft der drei Hannoveraner, aber kein wirklich eigenständiges Kreativ-Konzept im Umgang mit dieser Musikrichtung. Hier spielt zwar eine Band den Blues, hat ihn aber im Grunde nicht wirklich.
Die Höhepunkte des Albums liegen immer in den mitunter ekstatischen Ausbrüchen, wie bei „Children“ - wenn die Kinder aufgefordert werden, ihre Waffen niederzulegen. Etwas mehr Mut, auch mal dem Krach statt den klassischen Musik-Schematas zu folgen, hätte „Soultravel“ ein noch intensiveres Musik-Leben eingehaucht. Aber ich bin mir sicher, dass sich genau das beim nächsten Album der drei jungen Musiker, die instrumental wie gesanglich einen hochbegabten Eindruck hinterlassen, ändern wird. Der angeworfene Motor für diese Reise tuckert schon unüberhörbar, wenn er jetzt noch mehr Fahrt aufnimmt, dann wird aus dem humpelnden Elch garantiert in Kürze ein röhrender Hirsch, der seine Gegner locker aus der Bahn wirft! Der Anfang ist gemacht, das Ende nicht absehbar. Weiter so!
FAZIT: Musik, die beweist, dass in Deutschland die wahren Talente sich nicht in Casting-Shows rumdrücken, sondern leidenschaftlich in Konzerten und auf CDs ihre eigene Spielweise demonstrieren, auch wenn sie sich noch zu stark an ihren Vorbildern orientiert. Aber ist das ein Wunder, wenn man gerade mal 20 Jahre alt ist? Nein! Hier reift etwas Großes heran, das bald hoffentlich wirklich eigene Knospen sprießen lässt.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 19.09.2012
Leon Mache
Thomas Wisniewski, Leon Mache
Thomas Wisniewski
Ingvar Hornung
Timezone Records
47:44
14.09.2012