Diese seit 2005 im Jahrestakt veröffentlichenden drei Herren fordern im zehnten Jahr des Bestehens zum ungeschminkten Einkehren auf. Trotz des reißerischen Titels verstehen sich KORALL auf eher nachdenklichen als prolligen Rock mit deutschen Texten, der zudem nicht der Altklugheit aufsitzt.
Angefangen beim Ja zu den Unwägbarkeiten des Lebens („Einatmen/Ausatmen“) über das schmissige und von Bass wie Chorgesang geprägte „Sommerregen“ bis zum krachenden Bläser-Feuerwerk „Turmspringer“ bekunden KORALL sowohl Spielwitz abseits stilistischer Konventionen als auch intelligente Wortkunst. Die Balladen „Diamant“ und vor allem „Der Ausnahmeantrag“ reichen auch vom Ausdruck her beinahe an den seligen Rio Reiser, wohingegen „Ian Castillo“ zumindest ansatzweise mit schwerfälligem Rock kokettiert. Das lange Finale „Wüste Seelen“ wird sogar richtig heavy, schrammt tatsächlich und überzeugend am Postrock der ursprünglichen Art.
„Anna“ ist nicht ganz so laut, aber dramatisch und spröde, was sehr gut zum Text passt. Hier sollte man als Interessent an neuem Deutschen und Guten ansetzen, wenn man „Vergiss dein Beautycase“ testet. Der Titel ist gewissermaßen Programm, denn KORALL agieren tatsächlich ohne Flitter, sondern lassen schlagkräftige Lyrics vor einfallsreicher und gewieft gezockter Musik sprechen.
FAZIT: Die Band KORALL spielt deutschsprachige Rockmusik zwischen allen Sparten: Die Weisheit – nicht das Rosinenkacken – der Hamburger Schule klingt ebenso an wie der Noise-Mut, den man weiter im Süden der Republik zeigt. „Vergiss dein Beautycase“ ist ein ganz vorne mitmischendes Album geworden, den man die Erfahrung und Mitteilungsbedürftigkeit der Protagonisten anhört.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 12.02.2012
Tobi
Tim, Tobi, Crille
Crille
Tim
Mijo Discount
52:24
17.02.2012