Die nächste Zeitreise, dieses Mal geht es 20 Jahre in die Vergangenheit ins Jahr 1992. Knapp ein Jahr zuvor durch METALLICAs "Enter Sandman" und "You Could Be Mine" von GUNS N' ROSES mächtig angefixt, macht ein 14-jähriger Knabe auf MTV Bekanntschaft mit einem Song namens "Symphony Of Destruction" von MEGADETH. Und der Song erzeugt eine ähnliche Wirkung wie die vorgenannten und sorgt dafür, dass im Zuge der metallischen Sozialisierung auch die Truppe um Dave Mustaine nicht nur eine wichtige Rolle einnimmt, sondern bis heute zu den Lieblingsbands zählt. Und daran wird auch der offensichtliche geistige Verfall des rotgelockten Enfant terrible nichts ändern - zumal die Aussagen, die Dave heute von sich gibt, ja nichts an der musikalischen Qualität seiner Musik ändern.
Am 14.07.1992 erschien dann "Countdown To Extinction", das Album zur Single, die weltweit erfolgreich war. Und was sich mit dem stoisch riffenden, höchst eingängigen "Symphony Of Destruction" bereits andeutete, fand seine Fortsetzung in den anderen zehn Songs. Dass MEGADETH schnell spielen können, hatten sie in der Vergangenheit zur Genüge unter Beweis gestellt, die neuen Songs waren langsamer, weniger thrashig und eingängiger. Damit ging die Band den gleichen Schritt, wie knapp ein Jahr zuvor METALLICA es taten - wenn man um das Verhältnis zwischen den beiden Bands weiß, ist klar, dass das kein Zufall sein konnte. Doch der Erfolg gab Mustaine letztlich recht: Doppelplatin in den USA für über zwei Millionen verkaufter Alben spricht für sich. Bis heute blieb "Countdown To Extinction" das erfolgreichste Album von MEGADETH. Zum 20-jährigen Jubiläum nun also die Wiederveröffentlichung mit dem Untertitel "Twentieth Anniversary" und höchst interessantem Bonusmaterial.
Bereits 2004 gab es eine Neuauflage, die aber in Sachen Sound nicht wirklich überzeugen konnte, zu dünn und zu flach klang diese Version. Auch für die Jubiläumsauflage wurde das Album neu gemastert und klang noch nie so wuchtig. Hier hat man bei der Überarbeitung alles richtig gemacht, der trockene Grundcharakter, den das Album im Klang hat, wurde natürlich beibehalten, das Ganze klingt aber zeitgemäß und drückend in Szene gesetzt. Über das Songmaterial muss man wohl kaum noch Worte verlieren, vermutlich dürften nur MEGADETH-Hasser das Album nicht kennen. Neben "Symphony Of Destruction" wurden der zackige, noch vergleichsweise flotte Opener "Skin O' My Teeth", das melodisch-eingängige "Foreclosure Of A Dream" sowie das abgefahrene, swingende "Sweating Bullets" als Singles ausgekoppelt. Der leicht melancholische, höchst melodische Titeltrack glänzt mit tollen Leads im Refrain und ist immer noch ein Ohrwurm erster Güte. Mit ein paar Jahren Abstand merkt man zudem, dass das damals als eher unauffällig empfundene "Captive Honour" mit seinen Samples recht cool ist. Das abschließende "Ashes In Your Mouth" knüpft stilistisch am ehesten noch an das "Rust In Peace"-Überalbum an.
Der gute Sound allein ist jedoch nicht unbedingt genug Anreiz, sich das Album nochmal zuzulegen, weshalb es eine zweite CD mit einer Liveshow aus dem Jahre 1992 gibt. Der Mitschnitt aus dem Cow Palace in San Francisco, der so heißt, weil dort Rodeos ausgetragen werden, ist von ziemlich guter Soundqualität und zeigt nicht nur die Band in starker Verfassung, sondern auch einen für seine Verhältnisse gut singenden Dave Mustaine. Die Setlist ist eine gelungene Mischung aus (damals) neuen Songs und einigen Klassikern, die hauptsächlich von "Rust In Peace" und "Peace Sells... But Who's Buying?" stammen. Heutzutage dürfte man Songs wie "Lucretia" oder "The Conjuring" bei normalen MEGADETH-Konzerten jedenfalls nur noch selten zu hören bekommen. Ein paar launisch-humoristische Ansagen, ein bei "Peace Sells" mitsingendes Publikum und Mustaines schwer kultiges "Eins, zwei, drei, vier"-Anzählen bei "Anarchy In The UK" sind weitere nette Details.
Die "Twentieth Anniversary"-Auflage kommt in einer stabilen Pappbox, die beiden CDs sind jeweils in eigenem Pappschuber. Das Booklet wurde ein bisschen aufgepeppt und hat Linernotes und das Artwork wurde dezent aufgefrischt, was man vor allem am Kopf des Greises auf dem Cover sieht. Die vier Fotokarten mit den Musikern sind Beiwerk, das man eigentlich nicht braucht, das recht große Atompilz-Poster ist dagegen zum Einrahmen geeignet, wenn man die Faltknicke herausgebügelt hat.
FAZIT: Die meisten Onlinehändler rufen um die 20 € für die Box auf, was für das Gebotene ein anständiger Kurs ist. Als Fan der Band kommt man wegen der Live-CD eh nicht drumherum und wer "Countdown To Extinction" noch nicht oder nicht mehr im Regal stehen hat, kann hier (nochmal) bedenkenlos zugreifen.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.10.2012
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Nick Menza
Capitol
122:02
02.11.2012