Wie schon mit „Mondo Cane“, das dem gleichnamigen Dokumentar-Kritikfilm von Gualtiero Jacopetti und Paolo Cavara huldigte, widmet sich TOMAHAWK-Schwinger Mike Patton – die ewige Stimme von FAITH NO MORE, so sehr er sich vielleicht dagegen sträubt – italienischem Kulturgut. Gemeinsam mit dem belgischen Ictus Ensemble, das sich für Neue Musik starkmacht, hat der streitbare Barde das titelgebende Werk des Experimentalkünstlers Luciano Berio neu vertont.
„Laborintus II“, eigentlich ein Stück Musiktheater, das bis zu 50 Minuten dauern kann, beruht auf einem Pastiche des Librettisten Edoardo Sanguinetis, der Passagen aus Dante Alighieris „Vita Nova“, „Die Göttliche Komödie“ und „Das Gastmahl“ mit Bibelversen, Zitaten des Dichters T.S. Eliot sowie eigenen Texten verschränkt. Dabei lässt der Komponist abseits der eigenen Partitur Monteverdi und Strawinski anklingen, um mehrere Bläser und Streicher mit Stimmen zu verweben. Die Botschaft des Ganzen verweist auf Ernst Blochs Theorie vom Theater als Experimentierstube, aber wie dem auch sei: Falls überhaupt, wird Pattons Interpretation in den Medien der Hochkultur rezipiert werden. Den Hörer prosaischer U-Musik lässt dieses dreiteilige Stück Avantgarde völlig kalt – und wer etwas anderes behauptet, nur weil ein vertrautes Etikett auf der Scheibe steht, heuchelt glattweg.
Die naturgemäß sehr dynamische Aufnahme auf ihren Gehalt, ihre Werktreue oder Relevanz hin zu beurteilen, maßt sich der Rezensent nicht an. Es handelt sich nicht um Musik im für eine Hörermehrheit herkömmlichen Sinn, sondern eine Ansammlung von Sprechstimmen, kreatürlichen Lautäußerungen und Orchesterinstrumenten, darunter zumindest ursprünglich angedacht auch Autofedern und bei Patton irgendwie elektronisch klingende Sounds. Genießen kann man das gelinde gesagt und ohne den Kulturfaschisten heraushängen zu lassen nur schwerlich, wobei der Unterschied zu Vergleichbarem durchaus ersichtlich ist. Claudio Milano hat auf diesen Seiten bereits mit ähnlichen Klängen mehr Begeisterung ausgelöst, also hat die Abneigung weniger damit zu tun, dass die berühmte Frage nach der Absicht des Erschaffers unbeantwortet bleibt.
FAZIT: „Laborintus II“ ist entweder ein Fest für Klangforscher oder kalt lassende Vergeistigung unterschiedlicher künstlerischer Medien. Auch Mike Patton kann und will wohl nicht dazu beitragen, E und U zu versöhnen, weshalb eine Seite die andere weiterhin als ungebührlich selbsternannte Elite abkanzelt, wohingegen umgekehrt auf Dauer von ungebildeten Banausen die Rede sein wird.
Erschienen auf www.musikreviews.de am 27.06.2012
Ipecac / Soulfood
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06.07.2012