Die Besetzung liest sich wie ein Who’s Who der deutschsprachigen Rockmusik. THE ELECTRIC FAMILY ist jene Art von musikalischem Verbund, der tatsächlich so klingt, als wäre es ein Familientreffen der besonderen Art. Tom THE PERC Redecker ist vielleicht nicht das Oberhaupt des Ganzen, aber sein Zentrum. Um seine sonore Stimme, irgendwo zwischen NICK CAVE und PHIL SHOENFELT, mit leicht teutonischem Zungenschlag, versammelt er seine Mitstreiter. Gleich im ersten Titel Ulla Meinecke, bemerkenswerterweise englisch singend, so unaufdringlich und gut wie selten. Die acht Minuten von „Solid Structure“ legen die Messlatte gleich mächtig hoch und geben die Ausrichtung vor. Crawling-King-Snake-Americana trifft auf Krautrock, psychedelische Experimente der entspannten Art, Folk mit Biss, schleppender Rhythmus und eindringlicher Gesang: Gänsehaut bei Staub im Wind.
Ähnlich geht es weiter, das Tempo bleibt meist im niederen Bereich, nur manchmal wird es gesteigert, schnellt empor und versandet wieder. Beispielhaft zu hören bei den beiden „Careful With That Axe, Eugene“-Versionen, die eine sowohl gelöste wie bedrohliche Stimmung erzeugen, ohne den Refrain exzessiv zu zelebrieren. Coversong(s) mit Sinn, Verstand und Gefühl.
Im längsten und ebenfalls in zwei Varianten vorhandenen Stück „Landmark Visions“ spielt Volker Kahrs die Keyboards. Dem 2008 verstorbenen, langjährigen GROBSCHNITT-Musiker ist „Ice Cream Phoenix – Resurrection“ gewidmet. Zu Recht, sorgen seine auf- und abschwellenden Orgelklänge doch für den grundlegenden Hauch Mystik, vor dem sich Redeckers Stimme und die restlichen Instrumente entfalten können. Trancerock der besten Art.
Die eigenwillige Mischung funktioniert über die gesamte Laufzeit, auch Live, wie die Bonustracks belegen. THE ELECTRIC FAMILY gelingt ein über einstündiger Trip, der allen Beteiligten Gelegenheit gibt sich zu entfalten, ohne mit ausufernden Selbstdarstellungen zu langweilen. Oder: „Landmark Visions“ - schönen Dank.
FAZIT: „Ice Cream Phoenix“ war bereits 2003 ein feines Album; die „Resurrection“ ist eine solche und bietet dank der hervorragenden Bonustracks einen Mehrwert auch für Erstbesitzer. Gute Entscheidung Redeckers, das eigene Label um ein eigenes (vergriffenes) Werk zu bereichern. Kein bisschen angestaubt, ein knappes Jahrzehnt nach seiner Erstveröffentlichung klingt es sogar besser – obwohl nirgendwo etwas von „Remastering“ steht – als je zuvor. Wer Musik von gestandenen Musikern hören möchte, die aus ganz unterschiedlichen Richtungen zusammentreffen und so entspannt wie konzentriert, gekonnt und mit hörbarer Lust musizieren, der findet in „Ice Cream Phoenix – Resurrection“ des Labsals Schnabeltasse. Die (Wieder)entdeckung lohnt sich.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.04.2012
Ben Schadow (2,3,5,6,8,10,11), Ingo Yorck (1), Hagen Liebing (4)
Tom THE PERC Redecker, Ulla Meinecke (1), Carlo von Putten (6), Anke Lautenbach (4), Theo von Thyssen (bv 2), Johannes Redecker (bv 4)
Tom THE PERC Redecker, Tex Morton (1,4), Peter Apel (2,8), Hermann Lammers-Meyer (pedal steel 5,7,8), Rolf Kirschbaum (3,6), Jockel Schoberth (10,11)
Tom THE PERC Redecker, Volker Kahrs (3,5,6,8,10,11), Rainer Kirchmann (1,4), Rolf Kirschbaum (7)
Hanno Jansen (2,5,8,10,11), Torsten Glade (1,4,7), The Voodoo (1), Burghard Rausch (3,6)
Harry Payuta (bass, sitar, didgeridoo 7)
Sireena
69:55
02.04.2012