Man darf zu Dave Padden stehen, wie man will, doch der Jungspund brachte Konstanz ins Wechselspiel von ANNIHILATOR, zumal er - wie die Bonus-CD des aktuellen Albums beweist - die Stile aller bisherigen Frontleute der Band aufgesogen hat und überzeugend wiedergeben kann. Insbesondere bei den Soli und in Sachen Sound wurde zum Teil aufgestockt, was "Re-Kill", so der Name des Tellers, zu einer im Vergleich zu ähnlichen Geschichten von anderen Bands, nicht einmal als unerhebliches Zubrot erscheinen lässt ... aber kommen wir zu "Feast" selbst, dem neuen Album der Band, die über die Jahre leider beträchtlich an Profil eingebüßt hat, weil ihre Alben nie richtig mies, aber eben auch nicht das Gelbe vom Ei waren.
Jeff Waters wiederholt sich auch 2013 auf hohem Niveau. Das eröffnende "Deadlock" orientiert sich am Gehämmer von "Criteria For A Black Widow", ist ein typischer Thrasher vordergründig stumpfer Anmutung, dessen Riffs allerdings jedem durchschnittlich begabten Gitarristen zu schaffen machen dürften. Padden intoniert dabei vor allem im Refrain ein wenig wie Tom Araya, und das leicht klinisch klingende Schlagzeug schlägt dir ebenso die Zähne aus wie im peitschenden "Fight The World", das mit Akustikintro noch Zuckerbrot in Aussicht stellt. Im Laufe der sieben Minuten des Stücks wechselt die Band mehrmals das Tempo ohne jedoch abseits der Solosektion für wirkliches Aufsehen zu sorgen. Anders "No Way Out" und "Smear Campaign", die als straighte Uptempo-Stücke mit jeweils griffigem Chorus und ausschweifender Bridge sehr viel Spaß bereiten.
Es sind jedoch die weniger schematischen Songs, die auf "Feast" besonders gut gefallen, weil man sie nicht sofort durchschaut. Das zunächst gewollt modern anmutende "Demon Code" hat einen coolen Refrain, während Waters mit interessanten Gitarrensounds arbeitet, ohne die Komposition aus den Augen zu verlieren, deren Stimmung wiederholt changiert. "No Surrender" erweist sich nach funky Beginn mit Slap-Bass als Stakkato-Wüterich mit abwechselnd schwebenden Strophenabschnitten, wobei man auch nach mehreren Hördurchgängen nicht weiß, was man davon halten soll. Wiederum beeindruckt ANNIHILATORs Musikalität, bloß möchte sich auf emotionaler Ebene keine Erfüllung einstellen.
Mit dem abschließenden "One Falls, Two Rise" reichen die Kanadier nicht etwa eine ihrer stets guten Balladen ein - die heißt nämlich "Angel Eyes" und steht ganz im Zeichen von "Phoenix Rising" sowie "Innocent Eyes", wie man zu Beginn denken könnte, sondern mit neun Minuten schlichtweg zu langen Durchlauf. Geballer mit virtuosen Zwischenparts und rhythmischen Schlenkern zu verbinden, wie es ANNIHILATOR hier und auch anderswo zu häufig tun, ist einfach ein wenig zu kurz gegriffen, und ehrlich gesagt steht jetzt schon fest, dass "Feast" langfristig keine Rotation mehr im heimischen Player des Schreibers erfährt, jedenfalls nicht vor ihrem alten Stoff.
FAZIT: Instrumental ist "Feast" ein durchweg hörenswertes Album mit nur wenigen Passagen, die man als uninspiriert bezeichnen könnte, aber an ihre Klassiker reichen ANNIHILATOR im Leben nicht mehr heran - das Dilemma vieler Legenden, die in anderen Fällen jedoch in weniger Würde gealtert sind als Jeff Waters, der sich offensichtlich zur Gänze selbst genügt ... womit er in Kauf nehmen muss, dass seine Musik alte Fans kaltlässt, während potenzielle neue vielleicht lieber einen Brüllaffen am Mikrofon sähen.
Punkte: 9/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 21.08.2013
Al Campuzano
Dave Padden, Jeff Waters
Dave Padden, Jeff Waters
Mike Harshaw
UDR / EMI
49:40 + 71:13
23.08.2013