Einst als „deutsche Antwort auf DREAM THEATER“ gefeiert, wurden die Pausen im Lager der deutschen Proggies IVANHOE zuletzt immer länger. Nachdem man Ende der 90er-Jahre das Aushängeschild, Sänger Andy B. Franck, an BRAINSTORM verlor, rückte die Band bei vielen Fans aus dem Blickfeld – so auch bei mir. Dass man zwischenzeitlich mit „Walk In Mindfields“ (2005) und „Lifeline“ (2008) zwei Alben veröffentlichte, lief vollkommen an mir vorbei, und entsprechend unvorbereitet trat ich an „Systematrix“ heran, Studioalbum Nummer sechs, das dritte Album mit Sänger Mischa Mang.
Von dem früheren Stil der Band, der sich durchaus an den Großtaten DREAM THEATERs orientierte, ist nicht mehr viel übrig geblieben. Deutlich komplexer, sperriger, härter und moderner klingt es, was die Süddeutschen heutzutage musizieren. Man ist sogar geneigt, das Wörtchen „spröde“ zu gebrauchen, wenn es um die musikalische Charakterisierung geht. Manches auf „Systematrix“ klingt in der Tat spröde, sperrt sich vehement dagegen, von den Synapsen wohlwollend verarbeitet zu werden. Das mag natürlich für viele Prog-Metal-Afficionados Ansporn sein, es gleich noch einmal und noch einmal und noch einmal mit dem Album zu versuchen – was zumindest teilweise auch auf den Rezensenten zutrifft. Wenn aber auch der 15. Hördurchgang keine Erleuchtung bringt, dann macht sich hier allerdings ein wenig Resignation breit.
Was aber, das sei der Ehrenrettung IVANHOEs zuliebe gesagt, bei weitem nicht für das gesamte Album gilt. Es gibt Songs wie „Learning Path“, das melancholische „Madhouse“, das irgendwie lässig groovende „Walldancer“, der dritte Teil der Songtrilogie „The Symbiotic Predator“ namens „Late Recognition“ oder das im Bandkontext betrachtet geradezu eingängige „Human Letargo“, die recht schnell im Kopf hängen bleiben. Sie bilden aber nur die eine Seite von „Systematrix“ ab. Die andere Hälfte bilden komplexe Sackgassen wie der Titeltrack, „Tin Cans Liberty“ oder „War Of The Centuries“, die man auch nach regelmäßigem Hören nicht nachvollziehen kann.
FAZIT: Mit den frühen IVANHOE hat „Systematrix“ nur noch gemein, dass es sich um progressiven Heavy Metal handelt. Die modernere und härtere Ausrichtung kann man kaum kritisieren, wohl aber, dass man manchen Part sehr widerstandsfähig in Bezug auf die Konsumierbarkeit gestaltet hat. Trotzdem gibt es auch auf dem sechsten Album, bei dem Sänger Mischa Mang übrigens eine ganz hervorragende und abwechslungsreiche Arbeit abliefert, jede Menge Stellen zu entdecken, die man sich aber erarbeiten muss. Genau das aber lieben Prog-Fans. Und genau deswegen ist „Systematrix“ trotz aller Kritikpunkte ein absolut lohnenswertes Album, das lang anhaltendes Hörvergnügen garantiert.
Punkte: 11/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 29.05.2013
Giovanni Soulas
Mischa Mang
Chuck Schuler
Richie Seibel
Mathias Biehl
Massacre Records
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24.05.2013