Man kennt es aus anderen Genres: Musiker pflegen Fernbeziehungen übers Internet und sind einander persönlich fremd, obwohl sie auf Tonträgern gemeinsame Sache machen. Was liegt in der schönen neuen Netzwelt näher, als sich die Distanz für improvisatorische Musik nutzbar zu machen? Die beiden Künstler, die Anfang Februar 2012 auf einer Schweizer Bühne standen und diese Aufnahmen hinterlassen haben, kannten sich bis dato nur aus der Ferne, warteten aber mit ausdrücklich nicht unvertrauten Klängen auf.
Die Sängerin und der Bläser haben gemeinsame Wurzeln in Afrika, doch diese möchte man nicht als etwaigen Grund für die Harmonie heranführen, welche diesen Momentaufnahmen innewohnt. Sowieso gibt es zwischendurch genügend Brechungen, um Musikethnologen Lügen zu strafen. „The Stone & The Lord“ ist zunächst ein verträglicher Gospel, dem der klagende Ton der Klarinette zugute kommt. „He Calls Me Down to My Man“ allerdings erzählt eine Geschichte mit expressionistischem, passend zum imitierten Schluckauf immer wieder unterbrochenem Dudeln. Man hört Frempongs Worten genauso gern zu wie den Stegreif-Melodien von Ehinger.
Grenzwertig mutet andererseits „The Fly & The Bee“ an: die beiden Tonakrobaten teilen das Summen und Sprechen mit eingesogenem Atem untereinander auf, woraus eine Art schräges Hörspiel entsteht, das man sich der Eigenheit wegen anhört, nicht zum Musikgenuss. Im Titelstück verhelfen elektronische Mittel dem Duo zu orchestralem Glanz – Stimmüberlagerung lautet das Stichwort, ehe zum Ende hin harsche Misstöne entstehen. Auch diese Schrägheit mag man nicht wiederholt hören, wohingegen die spukhaft beschwörenden Interludien sowie das perkussive Doppel aus „Rest At Last“ und „You May Go“ für die beiden Protagonisten einnehmen. Das letzte Stück dauert fast eine Viertelstunde, ist aber überwiegend unsinniger Leerlauf und am Ende nur Geräusch – grobes Foul am Hörer, aber wohl eben live. Eine DVD dieser Veranstaltung wäre zwingender ausgefallen.
FAZIT: Joy Frempong und Philippe Ehinger sprechen in Wirklichkeit nicht die Sprache des Publikums vor dem Abspielgerät für ihre Musik, denn ihre akustischen Versuchsaufbauten stürzen stets in sich zusammen, wenn sie die Grenze des als konventionell hörbar Aufgefassten tangieren. Abgesehen von technischem Popanz sind letztlich ein virtuoser Bläser sowie eine ausdrucksstarke Sängerin zu hören.
Punkte: 6/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 06.01.2013
Joy Frempong
Philippe Ehinger
Philippe Ehinger, Joy Frempong
Unit / Harmonia Mundi
44:48
07.12.2012