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KivesKives: Joystick

Stil: Nintendo-Musik für Zappa-Freunde

Cover: KivesKives: Joystick

„Aller guten Dinge sind drei!“, werden sich unsere drei Nintendo-verrückten, sehr musikalischen Finnen wohl gedacht haben, als sie sich 2008, wahrscheinlich zwischen einer Nintendo-Spielkonsole und einem ZAPPA-Album entschlossen, KIVESKIVES zu gründen, um die Welt in und um Finnland herum mit „Nintendo-orientiertem Instrumentalrock“ zu beglücken.

Ja, genau!
Endlich gibt’s mal wieder eine neue musikalische Schublade, die jeder halbwegs aufgeschlossene Musikhörer neugierig aufziehen kann. Doch was findet er darin, bzw. was habe ich darin gefunden?
Um es kurz zu machen, viele Zutaten, die mich schon immer auf meiner sehnsüchtigen Suche nach DER Musik, die verrückt und zugleich faszinierend, extrem nervend und irgendwie beruhigend, abgefahren und trotzdem eingängig, hart aber immer auch gefühlvoll ist, begleiteten. Auf meiner Suche stieß ich natürlich auf einen FRANK ZAPPA. Aber auch auf die RESIDENTS oder brachialen Gitarrenhorror metallischer Exzentriker, ähnlich wie NICK CAVES Ausflüge bei GRINDERMAN. Oder aber sogar die fantastischen PEPE DELUXE!

Wohl darum beginnt „Posti“ auch mit wildem Schlagzeuggewummer und brachialem Geschrei, bis es dann in eine Art von Popcorn-Musik-Reklame mit seltsamen „LaLaLa“-Refrains übergeht, die einen an die musikalische Illustration des HB-Männchens der Fernsehreklame erinnert, die noch aus dem Zeitalter stammt, als die bewegten Bilder noch Schwarz-Weiß über den Bildschirm flimmerten und jeder Fußballverrückte wusste, woher der Begriff „Arschkarte gezogen“ kommt. Danach geht’s im RESIDENTS-Stil weiter, aber wirklich so, als hätten unsere drei Finnen alle verrückten Ideen dieser Extrem-Augen-Band auf knapp zwei Minuten Laufzeit bündeln wollen. „Flybye“ lässt dann dem Piano anfängliche Freiheiten, die von krachenden Gitarrenwänden weggerockt werden, bis Nintendo-Piepsereien alles ad absurdum führen. Melodramatisch mit Piano und Trompete wird’s dann bei „Segerstam“. Free-Jazz dagegen darf jeden noch so offen gestimmten Hörer bei „Jyrkkä Ei“ endgültig verunsichern! Gibt's bis hierher noch Fragen, was den Hörer bei KIVESKIVES erwartet – oder besser, was einem beim Hören von „Joystick“ abverlangt wird?

Leider geht diese wilde Mixtur manchmal einfach etwas zu weit, wenn sie in irren Wechseln zwischen wilden Schreien, Humpa Twang, Klezmer, Hardrock, Gegrunze, Piano-Geklimper und vielem mehr hin und her schwankt, wie beispielsweise auf „Mustaraskas“. Diese Musik ist nicht für jeden Moment, sondern nur für ganz besondere geeignet. Momente, in denen man entweder verrückt drauf ist, oder eine ordentliche Wut im Bauch hat oder ungeladene Gäste, die auf Radiomusik stehen, schnell wieder loswerden will. Einfach „Joystick“ einsetzen und alle Probleme sind eine halbe Stunde später garantiert gelöst.

Übrigens ist ein Joystick ja bekanntlich ein Steuerknüppel, den man beliebig und leidenschaftlich bei Computerspiel-Simulationen einsetzt. Aber im übertragenen Falle steht dieses Teil auch für ein gewisses Ding in männlichen Hosen, an dem gern herumgespielt wird. Bei dieser Musik muss man sich wirklich entscheiden: „Spiele ich weiterhin virtuell an irgend so 'nem künstlichen Kunststoff-Phallus rum oder greife ich mir in mein Baumwollhöschen und lasse alles raus: „Bis es spritzt, spritzt, spritzt!“, wie es unser großer Maestro ZAPPA bei „Joe's Garage“ auf „Stick It Out“ leidenschaftlich in extrem schräg klingender deutscher Sprache sang, was dann nach einem „Fick mich, du miserabler Hurensohn“ natürlich nicht mehr überraschte. Genau nach diesem „Unterhosen“-Teil voller Zappa-Intuition greifen drei „verrückte“ Finnen – und das ist mehr als eine Entdeckung wert.

Und wer jetzt nicht neugierig auf dieses Album geworden ist, der soll weiter mit oder an seinem Joystick rumspielen.

FAZIT: Verrückt hat nichts mit Psychiatern zu tun, sondern in erster Linie mit den musikalischen Ideen von KIVESKIVES, die sich zum Glück nicht so ernst nehmen wie einer ihrer Musikkollegen aus deutschen Landen, der sich auf einen Buchstaben – und zwar das kleine t beschränkt – während er sonst einen auf ganz große Hose macht und mir von seinen Fans das Gästebuch unter „Psychoanorexia“ vollschmieren lässt. Verrückt nicht wahr – aber bei weitem nicht im Entferntesten so sympathisch verrückt wie dieser finnische „Joystick“.

Punkte: 10/15

Erschienen auf www.musikreviews.de am 14.03.2013

Tracklist

  1. Posti
  2. Löylyvalssi
  3. Remu
  4. Stallone
  5. Siperian Drive-In
  6. Jyrkkä Ei
  7. Budapest
  8. Flybye
  9. Mustaraskas
  10. Segerstam
  11. Ovet
  12. Limbo

Besetzung

  • Bass

    Markus Kettinen, Pietu Sepponen

  • Gesang

    Antti Luoma, Markus Kettinen, Pietu Sepponen

  • Gitarre

    Pietu Sepponen

  • Keys

    Markus Kettinen

  • Schlagzeug

    Antti Luoma

  • Sonstiges

    Antti Hermaja (Posaune), Antti Kolehmainen (Violoncello), Kaj Mäki-Ullakko (Trompete und Bass), Mika Saloheimo (Didgeridoo), Sini Palokangas (Alt Saxofon), Mikko Hellström (Kontrabass)

Sonstiges

  • Label

    Beste! Unterhaltung / Uhma

  • Spieldauer

    36:42

  • Erscheinungsdatum

    23.05.2012

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