Die Verniedlichung und „Verhipsterung“ von Medienmenschen ist im Falle dieser blutjungen Band unsäglich. Wie soll man Musiker ernst nehmen, wenn man ihnen oberflächliche und teilweise auch unhaltbare Vorzügen attestiert („Stimme einer Generation“, bla, bla), die eine zweifelhafte Halbwertszeit besitzen? Die Musik von MIKROKOSMOS23 klingt da ungleich nachhaltiger.
Die Knaben Anfang 20 spielen recht kräftig zupackenden und spielerisch fordernden Indie Rock mit deutschen Texten und stilistischer Freiheiten, die sich Nullachtfuffzehn-Punk-Kinder weder nehmen wollten noch könnten. Schon im eröffnenden „Laternenmann“ oder während „Reisegäste“ schwingen Post-Rock-Tendenzen mit (verhallte Gitarren, die sich zu Wänden türmen), im zweiten Stück „Wie kommst du an“ sachte Elektronisches. Sänger Peter erinnert sehr stark an MUFF POTTERs Nagel und textet ähnlich intelligent, während die Gruppe als ganze vor allem rhythmisch interessant bleibt. Ihre kantigen Riffs machen die Musik angenehm rau („Orte ohne Boden“, „Zusammen zu klein“) und mitnichten zu dem trendigen Gezuckel, das man hätte erwarten können (Stichwort Vorschusslorbeeren).
Dass die Band live sehr aktiv ist und zwei Alben im Portfolio stehen hat, hört man deutlich. Die norddeutsche Schule um KETTCAR stand für ihre Musik ebenso Pate wie US-College-Rock, allerdings stets mit melancholischer Note versehen („Luftsprung“, „Kopfherz“ mit Gastsängerin und ob der Synths an Westnachbarn-Dancepunk-Zeug erinnernd) oder bisweilen ein wenig mathematisch bis dissonant („Alles an“, „Dürfen, Müssen, Können & Sollen“, „Die paar Meere“).
Sicherlich sind die Elemente nicht neu, und einigen Songs fehlt der eigene Charakter („Mit offenen Augen“), zumal in melodischer Hinsicht Gleichförmigkeit herrscht, aber mit diesem Quartett darf man in Zukunft rechnen, wenn es um deutsche Rockmusik geht, bei deren Anhören man sich nicht schämen muss.
FAZIT: MIKROKOSMOS23 wären in besseren Viva-Zeiten zu Recht als heißer inländischer Act gehypt worden, müssen sich indes heute auf die Gewogenheit der Kundschaft von Intro, Spex und Visions verlassen, was ihren interessant gehaltenen und inhaltlich smart aufgezogenen „Deutsch Emo“ (keine Häme) angeht.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 24.01.2013
Steffen Oks
Peter Löwe
Peter Löwe, Mathias Starke
Tom Pätschke
Unter Schafen / Alive
48:22
25.01.2013