Zeitgeister nehmen fremde Impulse auf, ohne sich zu verbiegen: Zu OWLs neuen Stücken steuere LANTLÔS-Kopf Markus Siegenhort (so heißt Herbst bei LOW CITY RAIN) die Bass-Parts bei, und Karl Sugin von DANISHMENDT unterstützt das Kernduo am Mikrofon. Am Stil der Band, einer der im Death Metal wirklich noch extrem und originell klingenden, ändert sich gleichwohl wenig, und das ist gut so.
OWLs Lieder sind lang, das Titelstück zu Beginn fast 20 Minuten, und mäandern zwischen zermalmend zähen Parts und betörend melodiösen Momenten, die klanglich jedoch so dezent inszeniert wurden, dass die Musik einem steten Fluss gleich. Dieser verläuft wie zu erwarten an der Grenze zur Schweiz - Stichwort CELTIC FROST beziehungsweise TRIPTYKON - und verliert sein ganz eigenes Rauschen dennoch niemals, was vor allem daran liegt, dass Kolf und Schroeder den Metal transzendieren und in weitergedachter Form ebenso in ihre Kompositionen knüpfen wie unterschwellige Solo- und Lead-Perlen, über die "You Are The Moon, I Am The Night", ein deutsch-französisches, sehr textreiches Stück, sowie umso deutlicher die mit zahlreichen lichten Momenten versetzte Viertelstunde "Clouds Of The Mourning Spring" den Bogen vom Doom Death zu Post Hardcore spannen, gerade während der gesprochenen Passagen am Ende.
Dass die Musiker dennoch keinen Stilabklatsch von NEUROSIS und Co. betreiben, dürfte klar sein: Rasende Momente mit fast symphonischer Anmutung sind genauso Bestandteile der Tracks wie ein Gefühl von Tragik erweckende Harmonien. Abwechslung ist dabei Trumpf, bloß eben nicht auf schillernde oder gar virtuose Weise bezeugt, sondern im dahingleitenden Charakter von OWL begründet. Nach dem akustischen Zwischenspiel "Sombre Cortile" lädt "Memories Of Dead Dreams" - die Texte sind hier wie überall auf dem Album stets gut verständlich und das Zuhören oder Lesen wert - zum melancholischen Schwelgen abseits jeglicher Kitsch-Romantik ein. Sie liegen in der Tiefe der Songs begründet, die bei aller offensichtlichen Gelöstheit am Ende gemischten Gefühle auf Seiten des Hörers, und genau dies macht "You Are The Moon, I Am The Night" im allseits plakativ Stimmung erzeugenden Metal 2013 relevant.
Die 111 nummerierte Digis bieten ferner einen viertelstündigen Ambient-Bonustrack. "Levitating Into Elysium" klingt so, wie der Titel verheißt: OWL driften auf subtil modulierenden Keyboard-Teppichen - einem Rauschen und Dröhnen - in einen Himmel, der eher lokal (oben, wohin auch die Band innerhalb der Rangfolge Gleichgesinnter gehört) zu begreifen ist, als dass er zwangsläufig in Verbindung mit Gott und Erlösung stünde.
FAZIT: "You Are The Moon, I Am The Night" hebt Death Metal auf ein neues Niveau: OWL berufen sich auf stilfremde Elemente, allen voran epischen Post Rock, ohne das Genre zu unterwandern, und sperren sich gegen dessen plumpe Bildersprache aus Schädeln beziehungsweise Eingeweiden, Antikreuzen oder gar "Ritualen", um ihre ureigene Art zur maximalen Intensität auszuspielen. Intensiver Trip ist eine abgeschmackte Bezeichnung, aber hier schwitzt man wirklich Blut und Wasser.
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.06.2013
Markus Siegenhort
Christian Kolf, Karl Sugin
Christian Kolf
Christian Kolf
Patrick Schroeder
Zeitgeister
57:29
06.06.2013