Bislang bei Suburban unter Vertrag stehend sind diese Niederländer bei Drakkar untergekommen, die ihr neues Album mitsamt dem Vorgänger als Doppel-CD einreichen, um etwas vom großen Retro-Kuchen abzubekommen. SHAKING GODSPEED sind dafür jedoch letztlich zu sperrig und orientierungslos.
Das aktuelle Album verschränkt die offensichtlichen Einflüsse der Band (LED ZEPPELIN vor allem beim Drummer) mit Mod-Tendenzen (offenbar im scheppernden Sound und dem Kokain-schwangeren Stottern, etwa im Titelstück), Schweineorgel-Beat („Season's Over“) und frühem Progressive Rock. Andererseits könnte das Trio auch den prototypischen Punk von MC5 und Co. wieder salonfähig machen, wäre sein Songwriting zwingender ausgefallen, denn zieht man die gelungene klangliche Inszenierung und einige avantgardistische Anwandlungen ab („Without“ könnte auch von CAPTAIN BEEFHEARTs „Trout Mask Replica“ stammen), bewegen sich SHAKING GODSPEED auf kompositorisch dünnem Eis: Ihre Stücke entsprechen weder den Formalismen der gegenwärtigen Retro-Bewegung (Hooks händeringend gesucht), noch überzeugen sie in ihrer aufgesetzten Theatralik („Promise“ als bestes Beispiel), auch wenn die Combo handwerklich beachtlich Virtuoses leistet. Vieles auf „Hoera“ klingt schlicht unernst und lässt sich emotional nicht fassen. Wie auch, wenn man Fifties-Horror („The Ghouls Have Come“) mit Garagenrock verbinden will?
Der Hörer fragt sich permanent, warum Kemkens und Diersen überhaupt Texte verfassen, wenn sie erstens kaum verständlich sind und zweitens überhaupt kein Drang besteht, sie zu verstehen. „Awe“ von 2011 macht es deutlich besser, klingt nicht ganz so atemlos und Song für Song jeweils geschlossen. Die Band verwebt ihre schillernden Einflüsse stimmiger, als da wären Blues mit Slide („We're Under Attack, Or So I've Heard“) oder Space Rock („People Wait, People Listen“. „Godspeed“ (Surf-Zitate inklusive), das betrunkene „X-Ray Eyes“ und der klassische Hard Rocker „Don't Have Time“ (die Landsleute DeWolff können das kaum besser) sind neben „Lately“ sogar fast hittig ausgefallen, weshalb zumindest den Siebzigern zugetane Hörer der Gruppe eine Chance geben sollten. Ansonsten können SHAKING GODSPEED ihren überkandidelten Musizierzwang (was solle das mathematische Gezappel von „Day At The Office“?) nicht mit dem Schlagwort Psychedelic kaschieren, denn egal wie der Sound heißt: Er muss gute Songs abwerfen, und die belaufen sich hier auf ein Drittel des Materials.
FAZIT: Überbordende Kreativität wird SHAKING GODSPEED insofern zum Verhängnis, als ihr Konglomerat aus archaischem Kunstrock, Rummelplatz-Mucke und gewollt männlichem Zerr-Rock nicht mit dem Bauch erlebbar ist, sondern nach berechnetem Schöpfen aus vielen Töpfen klingt, dem weniger die innige Liebe zu den jeweiligen Sujets zugrunde liegt als eine nur oberflächliche Auseinandersetzung damit. Will heißen: Die Band mag vieles ein bisschen, verzehrt sich aber nicht danach und denkt es niemals bis zum Ende durch.
Punkte: 7/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.02.2013
Paul Diersen
Wout Kemkens
Wout Kemkens
Paul Diersen
Maarten Rischen
Drakkar
34:56 + 42:50
08.02.2013