Wie viel PORCUPINE TREE oder FISH wird und darf wohl im Solo-Album eines Gitarristen sein, der bei besagten Musikern maßgeblich für den Gitarren-Sound sorgt?
Nicht viel!?
Verdammt wenig!?
Eigentlich so gut wie überhaupt nichts!?
Wie viel Niveau und Klasse wird sich in der Musik dieses Gitarristen wiederfinden, der bei solch begnadeten Musikern mitmischt?
Nicht viel!
Verdammt wenig!
Eigentlich so gut wie überhaupt nichts!
JOHN WESLEY versucht zum wiederholten Male, sich aus dem Schattendasein von PORCUPINE TREE und FISH zu befreien und sich ins musikalische Licht zu rücken. Doch dabei wirft er höchstens selber Schatten und wirklich sonnige, helle Momente findet der Hörer kaum, denn „Disconnect“ ist ein gerade noch durchschnittliches Hard- & Classic-Rock-Album mit einigen metallischen, aber auch wenigen melodiösen und balladesken Momenten geworden, das sich irgendwo zwischen ausgelutschtem Stadion-Rock und einem KISS für die QUEEN bewegt, während der zum Ritter geschlagene GILMOUR dazu sein Ständchen spielt. Ein Schuss mittelmäßiger Gesang rundet dann „Disconnect“ in seiner Gesamtheit ab, wobei selbst das sehr gut gemeinte, kritische Text-Konzept irgendwo auf der Strecke bleibt. Im Grunde aber ist es das Beste, was „Disconnect“ zu bieten hat, denn es geht um das Abbrechen zwischen Verbindungen, die einem lieb und gewohnt geworden sind und dann plötzlich aus heiterem Himmel gekappt werden. Oder aber die Erfahrungen von jungen Männern, die als Soldaten in den Irak oder Afghanistan einzogen und als traumatisierte Männer wieder zurückkehrten, worauf sich wohl auch das Cover des Albums bezieht. Überhaupt schneidet Wesley in seinen Texten alles an, was die mentale Gesundheit negativ beeinflusst, egal ob das nun Drogen oder Videospiele, gesellschaftlich Zwänge oder zum Himmel schreiende Ungerechtigkeiten sind.
„Disconnect“ wird so zum unbeabsichtigten Programm zwischen Musiker und Hörer – es fehlt eine wirklich Verbindung, die musikalische Brücken baut. Der Prog bleibt auf der Strecke, einfallsreiche Melodien sind Mangelware, selbst außergewöhnlich Experimente an der Vielzahl akustischer und elektrischer Gitarren bleiben aus. Das ganze Album klingt wie der zweite Aufguss oder die Resteverwertung von solchen Vorzeigegitarristen wie JEFF BECK oder RUSHs ALEX LIFESON, der sogar auf „Once A Warrior“ mit zur Gitarre greift. Und nicht umsonst wird wohl auch STEVEN WILSON die Finger von den Reglern gelassen haben, die er noch bei dem Vorgänger-Album „Shiver“ angelegt hatte, weswegen auch die folgende EP „The Lilypad Suite“ zurecht gänzlich unbeachtet in der Versenkung verschwand, statt wie besungene Seerose aufzublühen. Wobei der kürzeste Song des Albums, „Windows“, mal wieder die Ausnahme von der Wilsonschen Regel bestätigt.
FAZIT: In einem Interview zu seinem aktuellen Album äußert JOHN WESLEY, dass er hofft, die Leute würden dem Album eine Chance geben und die Songs ihre Geschichten erzählen lassen. Ich habe es wirkich von Herzen versucht, aber schon nach dem dritten Hördurchgang erreichten mich höchsten noch die Texte, während die Musik mehr zur Enttäuschung statt zum Erlebnis wurde.
Punkte: 6/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 08.04.2014
Patrick Bettison
John Wesley
John Wesley, Dean Tidey
Mark Prator
Alex Lifeson (Gitarre auf "Once A Warrior")
InsideOut
51:33
28.03.2014