JUDAS PRIESTs letztes wirklich relevantes Album hat mittlerweise fast ein Vierteljahrhundert auf dem Buckel – darüber dürfte Einigkeit bestehen. Nach „Painkiller“ gab es stilistische Irrungen, Personalwechsel – und ganz viel Nichts. Mit „Redeemer Of Souls“ legen die Urväter des britisch geprägten, reinrassigen Heavy Metals das dritte Album seit der Wiedervereinigung mit Sänger Rob Halford vor; es ist gleichzeitig das erste Album seit dem Ausstieg von Gitarrenlegende K. K. Downing.
Ernsthaft wird wohl niemand mehr einen Klassiker auf dem Niveau früherer Glanztaten erwarten, zumal der Zahn der Zeit hörbar am einstigen Metalgod Rob Halford genagt hat. Die stimmlichen Leistungen des Frontmanns sind eines der Probleme auf „Redeemer Of Souls“. Dass Halford nicht mehr die unmenschlichen Schreie draufhat, die er vor 25 Jahren zu intonieren in der Lage war – geschenkt. Bei neuen Songs lassen sich die Vocallines problemlos so arrangieren, dass man die hohen Töne umschiffen kann. Was auf Studioalbum Nummer 17 auch gemacht worden ist. Dennoch klingt Halfords Stimme teilweise so kraftlos, dass man meint, Ozzy Osborne habe im Studio hinter dem Mikrofon gestanden.
Das nächste Problem: K. K. Downing ist nicht mehr dabei. „Downing / Tipton“, dieses Duo, das scheinbar unzertrennlich zusammengehörte wie „Hail & Kill“, „Sword & Steel“ oder „Heavy & Metal“, wurde durch den Rückzug Downings gesprengt. Richie Faulkner, der Nachfolger, macht einen grundsoliden Job – aber von ihm zu erwarten, er würde die gleiche Magie verströmen wie sein Vorgänger, ist natürlich ein wenig vermessen und auch ungerecht.
Problem Nummer drei: Der Sound. Warum zahllose Undergroundbands mit Minibudget in der Lage sind, einen einwandfreien Klang hinzubekommen, sich eine Band wie JUDAS PRIEST dagegen einen intransparanten und insbesondere im Drumbereich dynamikbefreiten Sound anschneidern lässt, bleibt ein komplettes Rätsel.
Problem Nummer vier: Die Songs. Gerade im zweiten Teil der Scheibe fehlt zu häufig ein kraftvoller Antritt, schleppen sich die Songs im einheitlichen Midtempo über die Ziellinie, bar jeglicher Spannung oder Dynamik. „Battle Cry“ oder „Metalizer“, die zumindest das Gaspedal stellenweise mehr als nur streicheln, sind rühmliche Ausnahmen und zeigen, dass Priest auch im Jahr 2014 noch in der Lage sind, mitreißende, klassische Heavy-Metal-Hymnen zu schreiben. Doch die gleichförmige Suppe, die schon auf „Nostradamus“ kolossal langweilte, entzieht „Redeemer Of Souls“ an zu vielen Stellen die Energie und die Spannung. Dass JUDAS PRIEST oft so klingen wie auf früheren Großtaten – geschenkt, das kann man der Band unmöglich vorwerfen. Hier ein bisschen „Painkiller“, hier etwas „British Steel“, dort ein wenig „Screaming For Vengeance“, genau das ist es doch, was die Fans letztlich erwarten. Wenn die Qualität denn stimmt.
FAZIT: Insgesamt klingt das Review jetzt doch deutlich negativer als gedacht. „Redeemer Of Souls“ hat seine Momente, bietet doch den einen oder anderen wirklich starken Song. Es dürfte sogar als bestes Album seit „Painkiller“ ins Ziel gehen. Doch die Aussagekraft dieser Feststellung ist angesichts der Alben, die die Briten seit 1990 veröffentlicht haben, dann doch eher überschaubar. Für Fans der Band, die kein Wunderwerk erwartet haben, geht „Redeemer Of Souls“ sicherlich in Ordnung.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 23.07.2014
Ian Hill
Rob Halford
Glenn Tipton, Richie Faulkner
Scott Travis
Sony Records
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11.07.2014