KERRS PINK sind ein Phänomen. Die Band verschwindet mal eben für mehr als ein Jahrzehnt von der Bildfläche und taucht mit einem Werk auf, welches das aktuelle Produkt der amtierenden Prog-Großmeister (zumindest den Namen nach) TRANSATLANTIC in den Schatten stellt. Eine Eigenproduktion wohlgemerkt, die zudem so warm und klar klingt wie es symphonischem Progressive-Rock mit heftigem Folk-Einschlag gebührt und gut zu Gesicht steht.
Die Norweger verzetteln sich nicht in dreißigminütigen Epen; der längste Song „Earth To Earth“ ist zwar mit knapp elf Minuten nicht der kürzesten einer, aber die restlichen Songs bleiben klar unter dieser Marke, ohne dass es ihnen an langem Atem fehlt. KERRS PINK erreichen Größe durch geschickten Spannungsaufbau, bewegende Melodien und eine wohl austarierte Mischung aus Sanftmut und zupackender Härte. Unterfüttert wird dies durch die abwechslungsreiche Instrumentierung, die genregemäß diversen Tasteninstrumenten viel Entfaltungsmöglichkeit bietet, aber an entscheidenden Momenten auch Gitarre und Bass (explizit die Moog Taurus Bass Pedals) in den Vordergrund schickt. Für die folkige Note sorgt u.a. der höchst ansprechende Einsatz des Keyboarders Lasse Johansen am Akkordeon.
Neu am Mikrofon ist der MAGIC PIE-Sänger Eirikur Hauksson, dessen raue und trotzdem warme Stimme hervorragend ins Ensemble passt. Allzu weit muss er sich musikalisch auch nicht von MAGIC PIE entfernen. So ist „Mystic Spirit“ ein rundum gelungenes Vergnügen, das die Band so beherzt wie episch ihren Hörern bereitet. Bleibt zu hoffen, dass das nächste Album nicht erst in den Zwanzigern erscheint. Dann wären seit dem selbstbetitelten Debüt immerhin mehr als vierzig Jahre vergangen.
FAZIT: Insbesondere der kurze Absacker „The Last Journey (Ode To Jostein)” gleicht einem Intermezzo mit Andrew Latimer an der Gitarre. CAMEL passen stimmungs- und tempomäßig ganz gut zu KERRS PINK, doch auch wenn Latimers Geist über mancher Gitarrenfigur und Elegie schwebt, ein bloßes Abkupfern erlauben sich KERRS PINK nicht. Liefern stattdessen eine so wuchtige wie gefühlvolle Lehrstunde in symphonischem Prog (plus eine gehörige Portion Folk) ab, die sowohl atmosphärisch wie spiel- und produktionstechnisch überzeugt. Ein bisschen Gänsehaut dann und wann inklusive. Es hat arg lang gedauert, doch KERRS PINK haben die Pause von „Tidings“ bis zu „Mystic Spirit“ hervorragend genutzt, wenn man vom Endergebnis ausgeht.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.02.2014
Per Langsholt
Eirikur Hauksson
Harald Lytomt , Hans J. Kvisler
Lasse Johansen, Glenn Fosser
Magne Johansen
Lasse Johansen
Eigenproduktion/Just For Kicks
68:37
24.01.2014