Er ist immer wieder für nicht nur eine Überraschung gut - dieser HANS JÖRG SCHMITZ alias KING OF AGOGIK!
Diesmal sind es gleich 88 Überraschungen, die uns auf „Exlex Beats“ erwarten plus die eine ganz große Überraschung, verborgen hinter der Idee, ein 77 Minuten langes Album, das nach wie vor von leidenschaftlichen Schlagzeug-Einlagen in den verrücktesten Taktarten lebt, mit 88 unterschiedlichen Referenzen an Rock-Bands und Klassiker zu bestücken, deren Ursprung bei den „ganz Großen“ liegen, egal ob der Namen KING CRIMSON, ELP, JETHRO TULL, BEATLES oder DEBUSSY, GRIEG und STRAWINSKY heißen.
Mit einem deutlichen Augenzwinkern nennt der deutsche König der Trommelstöcke sein Album dann auch gleich in einer Kombination aus Latein und Englisch „Exlex Beats“ (Gesetzlose Rhythmen) und ergänzt: „Zu einem echten Gesetzlosen gehört, dass er stiehlt, also sind auf der Platte 88 Parts, welche nicht meinem geistigen Eigentum entsprungen sind. Es beginnt mit KING CRIMSON und endet mit den BEATLES.“
Selten habe ich mit so viel Freude vor einem Album gesessen, ihm angestrengt gelauscht und versucht, mich auf eine progressiv-klassische Entdeckungsreise zu begeben. Und wer da denkt, so eine CD muss doch wie ein wirres Durcheinander zusammengeschusterter Musik-Adaptionen klingen, der irrt. Denn gerade die hohe Kunst, einem Schlagzeug das verbindende Element, in dem sich die musikalischen Vorbilder die Hand reichen, zu überlassen, ist außergewöhnlich und grandios zugleich. Dadurch habe ich beispielsweise eins meiner absoluten Prog-Highlights - JETHRO TULLs „Thick As A Brick“ - noch nie mit solcher Begeisterung gehört wie auf „Exlex Beats“.
Schmitz selber stellt auch eindeutig klar, dass er diesmal „über 2 Jahre“ an der Fertigstellung der Platte gearbeitet hat, was daran lag, „dass ich mehr Wert auf die Komposition als auf spontane Interaktion gelegt habe. So manch wilder Drumpart musste einem auskomponierten Teil weichen ... das braucht Zeit.“ Allerdings war der KING OF AGOGIK während dieser Zeit auch innerhalb anderer musikalischer Projekte sehr eifrig und hinterließ auf „The Dream Harbour“ von WILLOWGLASS sowie TRAUMHAUS‘ „Die andere Seite“ und dem Musea-Sampler „Decameron - Ten Days In 100 Novellas“ mit seiner Schlagfertigkeit bleibende Eindrücke. Den unmittelbarsten davon bekommen wir auf „The Chasteness“ zu hören. Der Song befindet sich auf besagtem Musea-Sampler und illustriert eine der Novellen, die von ihrem Inhalt her recht bieder aus- und neben der bekannten Falken-Novelle völlig durchfällt, was keinesfalls für die musikalische Gestaltung gilt, in der wir sogar eine spanische Gitarre zu hören bekommen.
Um auf „Exlex Beats“ die komplizierten Kompositionen umfassend zu verwirklichen, holte sich der Drum-Wizzard gleich noch namhafte Musiker mit in seine Schlagbude und bestückte diese neben den üblichen Prog-verdächtigen Keys, Gitarren und Bässen mit Flöten, Oboen und Violinen, wobei sehr intensiv STEVE UNRUH an den Blasinstrumenten einbezogen wird, der besonders im 22minutigen „Thin As A Skin“ einem IAN ANDERSON flötentechnisch in Nichts nachsteht!
Aber es gibt auch die ganz ruhigen Momente auf dem Album, in denen das Schlagzeug schweigt und die eine ganz besondere Ausstrahlung haben, wie beispielsweise die ersten drei Minuten von „Lick Me“, in denen DAGO WILMS sich der akustischen Gitarre im besten STEVE HACKETT-Style hingibt und einen besonders reizvollen Ruhepunkt setzt - ähnlich wie er es zuvor bereits bei „Nomouglea“ ausgiebig zelebrierte, da allerdings gemeinsam mit Flöte und Violine. Wer sich noch an den ersten GENESIS-Gitarristen ANTHONY PHILLIPS erinnert und dessen Solo-Werke zu schätzen weiß, wird an „Nomouglea“ seine wahre Freude haben. Genauso wie an „Sheol“, wo die spanische Gitarre jedoch von ANDREW MARSHALL gespielt wird und an die Stelle von Flöte und Violine diesmal akustischer Bass und Oboe treten.
„Exlex Beats“ sind in ihren ruhigen und lauten, eigenen und „geklauten“ Momenten mehr als eine Musik-Sünde wert.
FAZIT: Ein überraschendes, symphonisch progressives Rockalbum eines Trommlers, der seine unglaublichen Fähigkeiten am Schlagzeug geschickt in Verbindung mit breit instrumentiertem Prog, aber auch etwas Metal und Pop bringt sowie jede Menge Klassiker hinter seinen Kompositionen versteckt. „Exlex Beats“ ist kein bei seinen Vorbildern abgekupfertes Prog-Album geworden, sondern eine musikalische Wundertüte der besonderen Art!
Punkte: 13/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 11.12.2014
Gary Farmer, Pantelis Petrakakis, Michael Kreutz, Dago Wilms, Michael Elzer, Hans Jörg Schmitz
Dago Wilms, Andrew Marshall, Arne Schäfer, Hans Jörg Schmitz
Erik Vaxjö, Hans Jörg Schmitz
Hans Jörg Schmitz
Steve Unruh (Violine & Flöte)
sAUsTARK records
77:00
29.11.2014