In Österreich ticken die Uhren anders. Alle doofen Witze beiseite: Unsere Nachbarn sind tendenziell lockerer als wir, experimentierfreudiger und exzentrischer. Vielleicht erklärt das den Erfolg einer Band wie KONTRUST, einer Crossover-Band, die sich gründet, als Crossover gerade der heißeste Shit ist (2001), ihr erstes Album veröffentlicht, als Crossover eigentlich schon tot ist (2005), und für ihre Mischung aus SOULFLY und GUANO APES ein Jahr später den Austrian Newcomer Award einsackt.
Der Erfolg hält an, KONTRUST veröffentlichen nun mit "Explositive" ihr viertes Album. Noch erstaunlicher: Obwohl die Band kaum eigene Ideen hat, sondern die Einfälle anderer wiederverwertet und dabei erschreckend tief in die 2000er-Mottenkiste greift, dauert es auf "Explositive" genau fünf Minuten, bis jegliche Zweifel an dieser Vorgehensweise beseitigt sind. "Dance" kann man nur vorwerfen, dass wir genug Songs übers Tanzen gehört haben, ansonsten ist es schwer, dem Teil zu widerstehen. Spätestens beim ersten Refrain von "Why" drehen dann alle durch. Dieser Song und die folgende Singleauskopplung "Just Propaganda" sind massive Moshpit-Bomben aus Dancehall, Pop, Tribal-Drums und Nu Metal. Vor der Ungezwungenheit, mit der KONTRUST verboten geglaubte Einflüsse vermischen, kann man sich nur verneigen.
Im weiteren Verlauf werden noch SYSTEM OF A DOWN, T.A.T.U. und überhaupt ganz viel Beklopptes in den Mix geworfen. Manchmal ist das zum Augenverdrehen flach, andererseits aber so gnadenlos energiegeladen und eingängig, dass jeglicher Widerstand zwecklos ist. Man muss ziemlich lange warten, um auf einen schwachen Song zu stoßen: "Play" lahmt an einem schwachen Refrain, bleibt aber die Ausnahme.
FAZIT: "Explositive" enthält ganz viel, was wir zwischen 1998 und 2003 bis zum Erbrechen gehört haben – dachten wir zumindest. Tatsächlich haben wir wohl einfach nur vergessen, wie viel Spaß solche Musik machen kann, wenn die Band es so derbe drauf hat wie KONTRUST.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 01.12.2014
Gregor Kutschera
Agata Jarosz, Stefan Lichtenberger
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Napalm
41:31
07.11.2014