Die ersten sechs Songs von "Esoteric Warfare" gehören zum Besten, was MAYHEM seit "De Mysteriis Dom Sathanas" veröffentlicht haben. Damit dürfte nach dem Ausstieg von Gitarrist Blasphemer kaum jemand gerechnet haben.
Blasphemers Experimentierwut, die 2007 im sperrigen "Ordo ad Chao" gipfelte, bewerten einige Fans der Band als genial, andere als Verrat am Werk seines 1993 ermordeten Vorgängers Euronymous. Es steht jedoch außer Frage, dass MAYHEM dank Blasphemer eine spannende Band blieben, auch nach den großen Skandalen.
MAYHEM überlebten den Selbstmord ihres Sängers Dead und den Mord an Euronymous. Sie wären nicht MAYHEM, wenn sie Blasphemers Weggang nicht ebenfalls verkraftet hätten. Sieben Jahre vergingen bis zur Veröffentlichung des Nachfolgers von "Ordo ad Chao", jetzt ist Norwegens berüchtigtste Band mit "Esoteric Warfare" zurück, als sei zwischen den beiden Alben nichts Besonderes geschehen.
Der Neue bei MAYHEM heißt Teloch und ist ein erfahrener Musiker, der mit seinen bisherigen Projekten nicht den Sprung nach oben schaffte. Ihm fällt nun eine Schlüsselrolle bei den Rudelführern des Black Metals zu. Teloch macht Schluss mit den an Wahnwitz grenzenden Experimenten seines Vorgängers Blasphemer. Auf "Esoteric Warfare" fängt er die musikalische Quintessenz von MAYHEM ein, eine Mischung aus dem Irrsinn der ersten EP "Deathcrush" (1987), dem Mystizismus von "De Mysteriis Dom Sathanas" und dem psychedelischen Ambient-Black Metal von "Ordo ad Chao".
"Watcher" leitet das Album ein und fasst zusammen, was danach kommt. Die Riffs klingen wie MG-Feuer, die Leads nach Menschenverachtung. Es geht hoch und runter wie auf stürmischer See, Raserei im Wechsel mit ruhigen Momenten, in denen Sänger Attila Csihar flüstert, grunzt, ächzt und spuckt. Die Krönung des Ganzen ist wie gewohnt das irrwitzige Schlagzeugspiel von Hellhammer. Wer sich als MAYHEM-Fan von dieser Nummer nicht begeistert lässt, findet wahrscheinlich überhaupt nichts besser als "geht so" und kann sich den Rest des Albums sparen.
Alle anderen kommen aus der Verzückung so schnell nicht raus. Die folgenden drei Songs, "Psywar", "Trinity" und "Pandaemon", sind die reinsten Gewaltorgien, erbarmungslos vorwärtspreschende Kriegserklärungen an alles. Auf "Milab" und "VI.Sec." schnüren MAYHEM ihren Songs dann plötzlich die Geschwindigkeit ab wie die Luft zum Atmen, selbst Sänger Attila klingt stranguliert. Beklemmend.
Die letzten vier Songs wiederholen vieles, was in den ersten sechs bereits vorkam, das ist ihr Hauptproblem. Keine schlechten Nummern, aber an dieser Stelle im Album auch nicht aufsehenerregend. Egal, auch ohne einen letzten Knaller zum Abschluss ist "Esoteric Warfare" ein hochgradig befriedigendes Album geworden.
FAZIT: MAYHEM haben keine ständige Innovation mehr nötig, um zu beweisen, dass sie nach "De Mysteriis Dom Sathanas" und dem Tod von Euronymous noch Relevanz besitzen. Alben wie "A Grand Declaration of War" und "Ordo ad Chao" haben das klargestellt. Mit "Esoteric Warfare" blicken MAYHEM selbstbewusst auf 30 Jahre Bandgeschichte zurück und machen das, was sie am besten können: Black Metal als wütenden Frontalangriff auf den Rest der Welt.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 02.06.2014
Necrobutcher
Attila Csihar
Teloch
Hellhammer
Season of Mist
47:21
06.06.2014