Manchmal lohnt es sich, vorm Hören eines Albums erstmal einen Blick in den informativen Text des Digi-Packs zu werfen, um trotz des nicht gerade außergewöhnlich beeindruckenden Covers (NASA-Luftbild von Tristan da Cunha) echt neugierig zu werden: „Die Band rüttelt dir ordentlich und beeindruckend dein Gehirn durch, aber sie streichelt auch zärtlich deinen Geist mit beruhigenden Tönen von Saxofon, Gitarre und Violine!“
Am Ende des Albums ist aber jedem klar, dass MORAINE musikalisch offensichtlich mehr rüttelt als streichelt!
Bereits das die CD „Groundswell“ eröffnende „Mustardseed“ präsentiert uns in nur drei Minuten die verrückte Spielfreude der Musiker, indem fette, brummende Bässe und ein Schlagzeug eröffnen, um dann durch Violine und Saxofon fast im freien Jazz-Stil ein völliges Eigenleben zu entwickeln. „Skein“, der folgende Titel, räumt dann der Gitarre wiederum ihre experimentellen Freiräume ein, um diesmal durch Saxofon und Violine in ein melodiöses Grundmuster zurückgeholt zu werden, welches dann im Zusammenspiel aller Instrumente erneut „zerschmettert“ wird. Rüttel! Rüttel! Rüttel!
Wo bleiben nur die streichelnden Momente, die zarten Töne und die Zeit zum musikalischen Luftholen?
Zum Glück brauchen wir darauf nicht zu lange zu warten, denn bereits „Fountain Of Euthanasia“ lässt uns mithilfe der Violine ein wenig entspannen, selbst wenn uns die E-Gitarre und Schlagzeug wieder auf den harten Boden progressiven Jazz-Rocks zurückholen. In dieser Art geht es auf „Groundswell“ beliebig weiter, wobei uns bei „Gnashville“ sogar einige Blues-Tupfer erwarten.
So ähnlich klang einst die „Lizard“-&-„Islands“-Jazz-Rock-Phase von KING CRIMSON, welche geschickt durch den intensiven Einsatz von Saxofon und Flöte mit instrumentalen VAN DER GRAAF-Einlagen vermischt wird, die besonders bei „The Long Hello“ prägend waren. Oder bleiben wir einfach mehr in der Gegenwart und zugleich bei den Moonjune-Label-Kollegen von THE WRONG OBJECT, die locker mit MORAINE ein gemeinsames Album aufnehmen könnten, ohne dass leicht zu erkennen wäre, wer gerade seinen Jazz-Rock-Part absolviert.
Leider gehen dem Album und wohl besonders dem Kopf hinter MORAINE, dem Gitarristen DENNIS REA, mit der Zeit ein wenig die Puste und die Ideen aus. Vieles wiederholt sich, auch die Violine verlässt ein gewisses Level nicht mehr, der Bass brummt weiter und das Schlagzeug ist mehr Beiwerk als Impulsgeber. Vieles klingt plötzlich nur noch etwas zu lustlos improvisiert und solch Stücke wie „Waylad“ erscheinen mit 7 Minuten fast zu lang, weil sie in den ersten Minuten dahinplätschern, sich dann minutenlang in eine seltsam experimentelle Länge ziehen und am Ende wieder im King-Crimson-Fahrwasser abdriften.
„Spiritual Gatecrasher“ enthält dann endlich wieder ein paar reizvollere weltmusikalische Ansätze, die besonders durch die Percussion und ein an CHRIS HINZE erinnerndes Flötenspiel erreicht werden. Abschließend dürfen sich auf „The Okanogan Lobe“ Gitarre und Saxofon noch einmal richtig austoben und schon sind wir am Ende dieses „guten Geländes“, welches musikalisch nicht nur fruchtbaren Boden, sondern auch einige noch trocken zu legende Sumpfgebiete zu bieten hat.
FAZIT: Mal wieder ein Jazz-Rock-Album aus dem Moonjune-Hause, das wie gewohnt für anspruchsvolle, experimentelle Musik steht. MORAINE richten sich darin gediegen ein, werden aber bestimmt nicht richtungsweisend im oberen, sondern eher im hinteren Drittel der Label-Ära landen.
Punkte: 8/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 18.10.2014
Kevin Millard
Dennis Rea
Dennis Rea
Tom Zgonc
Alicia DeJoie (Violine), James DeJoie (Saxofon, Flöte)
Moonjune Records
52:17
29.08.2014