Die OYSTERBAND liegt Kollege Chris und mir am Herzen. Als er erwähnte: „Du, die neue Scheibe ist nicht so dolle. Irgendwie harm- und zahnlos“, regte sich Widerspruch. Davon wollte ich mich selbst überzeugen. Vielleicht würde sich eine Pro/Contra-Rezension ergeben. So war’s gedacht. Dann das – vier Ohren, eine ziemlich einhellige Meinung, bis hin zur Punktevergabe mit Sympathie-Bonus. Chris fängt an:
Die Freude war groß, nach vielen Jahren ohne "richtiges" OYSTERBAND-Album wieder ein neues Werk in den Händen zu halten. Die hörerseitige Gier war riesig, das Geschmackszentrum schüttete Glückshormone aus, eine Ohrektion (die Ohren richteten sich auf) folgte, doch - so viel vorweg - die "Diamonds On The Water" sind bestenfalls Zirkonia auf einem seichten Tümpel.
Denn war auf "Meet You There" noch reichlich Schmissigkeit und Variabilität vorhanden und kontrastierten die flotten Guinness-Schwofer noch bestens mit den intensiven und entspannten ruhigen Songs, ist die Kurve der Abwechslung auf vorliegendem Album enorm abgeflacht - und jenes gilt auch für den Tiefgang der Songs. Wo die Herrschaften um John Jones einst noch auf den Grund tauchten, titschen sie auf "Diamonds On The Water" oftmals nur mit dem dicken Onkel kurz auf die Wasseroberfläche.
Zwar gibt es durchaus noch ein paar ganz nette Aufhorcher, doch selbst diese nutzen sich nach ein paar weiteren Durchläufen erschreckend schnell ab, sodass sich die Nettobeute des dreiviertelstündigen Albums bis auf die wahrlich guten Texte auf ein paar verwertbare Restchen beläuft. Der Großteil dieses Werkes jedoch ist für das Gedächtnis ein durchlaufender Posten - OYSTERBAND tönen anno 2014 bequem und - man mag es kaum sagen - alt. Und ein Stück weit gar uninspiriert.
Die OYSTERBAND war schon immer eine Band, die sehr locker musizierte und höchst eingängig ihre Kunst darbot, doch die Melodien waren in der Regel stark genug, um sich in das Gehirn zu fräsen und zum Hinhören zu zwingen, doch "Diamonds On The Water" zeigt das Folk-Rock-Urgestein als Lieferanten folkgewordener Fahrstuhlmusik oder Supermarktbeschallung.
FAZIT: Schenkt den Herren Schwimmflügel. (Chris Popp)
Ohne voneienander abgeschrieben zu haben, sogar komplett ohne zu spicken, kam ich zu diesem Ergebnis:
‚Üb immer Treu und Redlichkeit‘ wäre ein passender Wahlspruch für das aktuelle Album der OYSTERBAND. Zu den Redlichen gehörten sie immer, und obwohl es in den letzten sieben Jahren kein neues Material gab, auch zu den Treuen, über fast vierzig Jahre. „Diamonds On The Water“ ist das Studio-Album Nummer 23 (laut dem englischen Wikipedia-Eintrag. Der deutsche hat lediglich 20 Werke gelistet), wenn man den Output der Vorgänger-Bands mitzählt, dazu gesellen sich noch fünf Livemitschnitte und diverse Solo-Exkursionen.
Doch auch der Biedersinn, der dem Eingangsspruch innewohnt, lässt sich leider auf „Diamonds On The Water“ beziehen. Die Texte sind meist gelungen, private Betrachtungen, kleine Tragödien von Liebe und Verlust, aber auch Politisches über Leidensdruck und Machtlosigkeit und dem tiefen Wunsch aufzubegehren. Die Musik kann nicht mithalten. Vom beseelten Folk-Rock mit seiner Nähe zum wütenden Punk ist kaum etwas übrig geblieben. Von der Innigkeit, der intimen Traurigkeit, die JOHN JONES Solo-Album auszeichnete, ist ebenfalls nur ein marginaler Hauch herübergeweht.
„Diamonds On The Water“ bietet glatten Pop mit dezentem Folk-Einschlag, hymnisch, ein bisschen melancholisch; gemütvolle Schunkelmusik ohne jede Kantigkeit. Das erinnert in seinen vollmundigen Momenten an mattere MIKE-BATT-Mini-Epen, ist aber auch nicht allzu weit vom seichten Schlagergeblubber entfernt. Kann man zum Dinner hören, wenn die Schwiegereltern zu Besuch kommen oder die Bügelwäsche wartet. Plätschert nett vor sich hin, hat ein paar intensive Momente, wird aber vermutlich bald in den hinteren Lagen des CD-Regals zur Ruhe gebettet.
FAZIT: Zu immer noch eindrücklichen Lyrics spielt die OYSTERBAND harmlosen, leicht hymnischen Allerweltspop mit leichtem Folkeinschlag, der nicht einmal das Programm von WDR 4 auffällig sprengen würde. Leider.
Punkte: 7/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 05.06.2014
Al Scott, Lindsey Oliver
John Jones, Ian Telfer, Alan Prosser, Al Scott, Rowan Godel, Lee Partis
Alan Prosser
Ian Telfer
Dil Davies
John Jones (accordion), Ian Telfer (fiddle, concertina), Al Scott (mandolin), Peter Davison (brass arr. and trumpet), Eira Owen (french horn), Sarah Leeves (euphonium), Adrian Oxaal (cello)
Navigator/Rough Trade
44:49
21.02.2014