Die neue Scheibe der niederländischen Prog-Institution SILHOUETTE ist ein - keine Überraschung - Konzeptalbum geworden, das sich Genre-Afficionados regelrecht aufdrängt. Regeltreuer kann man Neo Prog aktuell nicht spielen - mit allem Für und Wider.
"Beyond The Seventh Wave" kehrt einen erwartbar unterkühlten Sound hervor, gefällt aber andererseits mit verhältnismäßiger Härte (Titelstück!) bei gleichzeitig üppigem Keyboard-Einsatz, ohne mit drei Instrumentalstücken ("Betrayed", "Escaped" und naheliegenderweise "Betrayed Again") verkopft oder wie ein kategorisch nur als Gesamtwerk zu verstehendes Album zu wirken.
Der erste Teil von "Web Of Lies" ist auch trotz Erik Laans bekanntermaßen dünnen Organs ein waschechter Ohrwurm bei über acht Minuten - Kunststück. Teil zwei bereichern hingegen die ADEIA-Musiker Ruben van Kruistum und Laura ten Voorde als Streicher, ehe tatsächlich die Gitarre von Daniel van der Weijde in den Vordergrund rückt. Vereinen sich dann beide Komponenten, schaffen SILHOUETTE Gänsehaut-Momente. Sollte man als Szenegänger in diesem Jahr definitiv gehört haben, dieses Stück, genauso wie das angenehm naiv gesungene "Devil's Island" mit seinen warmen Synth- und abermals Cello-Parts.
"In Solitary" bietet neben dem orgeligen, mehrstimmigen Finale "Wings To Fly" die stärkste Gesangsleistung (der Frontmann ist einfach am besten für die zarten Stücke gemacht) der Scheibe und anrührendes Klarinettenspiel von Tamara van Koetsveld, die im Übrigen zum königlich niederländischen Militärorchester gehört. "Lost Paradise" im Zentrum ist mit zehn Minuten kein klassischer Longtrack, sondern verzeichnet mit Flamenco-Gitarren und schwebenden Keyboards starke New-Age-Bezüge. Hier kommen spätere YES ebenso in den Sinn wie CAMEL, deren Ton Scherpenzeel (auch KAYAK) zufälligerweise hier und dort ebenfalls Keyboard spielt.
FAZIT: SILHOUETTE begehen mit ihrem aktuellen Album einen klasse Spagat zwischen Epik, Themenplatte und zwingender Liedhaftigkeit. Die Prog-Klientel freut sich einen Ast, wiewohl darüber hinaus wenig zu reißen sein dürfte, aber das braucht eine altgediente Mannschaft wie diese auch gar nicht zu tun. Die Songs stehen trotzdem für sich selbst, egal wie man die übergeordnete Schublade nennt.
Punkte: 12/15Erschienen auf www.musikreviews.de am 17.11.2014
Jurjen Bergsma
Erik Laanm, Brian de Graeve
Brian de Graeve
Erik Laan, Ton Scherpenzeel
Rob van Nieuwenhuijzen
Ruben van Kruistum (Cello), Laura ten Voorde (Geige), Tamara van Koetsveld (Klarinette), Marjolein DeciBel (Flöte)
Freia Music
62:02
21.11.2014